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#reisen: Meine Auszeit auf Zypern

„Viele Grüße aus Zypern“ – so beginnt wahrscheinlich fast jede Ansichtskarte, die man von hier schreiben würde. Meine nicht. Ich würde anfangen mit den Worten: „Ich bin 3365 Kilometer weit weg – und brauche gerade jeden Zentimeter davon.“

Ich bin ein bisschen nach Zypern „geflüchtet“, weil mir zuhause alles zu viel und zu schwer wurde. Es war nicht ganz spontan, meine Freundin und ich haben im März gebucht, als es zuhause noch kalt und grau war und wir dringend ein bisschen Mittelmeer-Leichtigkeit brauchten. Aber auch damals schon war es mir schwer daheim. Mein Haus, mein Leben in seinen Strukturen fühlt sich nicht mehr so an, als ob es mir gehören würde. Ich fühle mich unter Druck, gestresst – und ich weiß nicht, ob das aus mir selbst kommt oder von außen.

Ist der Weg, den ich gehe, noch meiner? Ist das Haus noch mein Ort? Und was, wenn es nicht so ist, wenn ich alles in Frage stelle, was ich mir aufgebaut habe, alles mutig und freiherzig loslasse – werde ich das nicht bald schon heftig bereuen?

Das alles beschäftigt mich so sehr, dass ich immer wieder mit körperlichen Problemen zu kämpfen habe. Unter anderem mit eingeklemmten Nerven in den Schultern, weil ich sie so sehr verkrampfe vor Anspannung.

Leichter über den Wolken

Abstand tut gut. Wie gut, das merkte ich schon im Flugzeug. So hoch über allem lehnte ich mich im Sitz zurück, schloss die Augen und genoss die Stille unter den Noise-Cancelling-Kopfhörern. Meine großen Probleme, die ja so ganz richtig nur in meinem Kopf existieren, erschienen mir plötzlich weit weg. Und das war, nachdem ich mich schon viele Monate mit meinen Optionen herumquäle, eine wirklich schöne Verschnaufpause.

Jetzt bin ich hier, in einem Inselland, das ich noch nicht richtig verstehe. Die Menschen sprechen und kochen Griechisch, fahren Britisch (auf der linken Seite) und legen großen Wert auf eine eigene Identität, die die Natur hier mit schroffen Felsen, schneidendem Wind und auch die erzwungene politischen Teilung wiederspiegelt.

Zypern ist ein kleines Land, das den Tourismus atmet. Brit:innen lieben die 9250 Quadratkilometer große Insel, deshalb gibt es hier natürlich Hotel an Hotel und Sportspub an Sportspub. Wir haben wie immer das Beste aus beiden Welten gebucht: Ein komfortables Hotel mit allem Luxus – und einen Mietwagen, um unabhängig erkunden und abenteuern zu können.

Leider habe ich die Schulterschmerzen und anderes mit nach Zypern genommen. Deshalb lassen wir es ruhig angehen, ruhiger als in früheren Urlauben. Gestern haben wir den ganzen Tag am Pool und am Meer gelegen, heute sind wir zu einem wunderschönen Strand namens Paralimni Beach mit weißem Sand und kristallklar blau schimmerndem Wasser gefahren. Auf jeden Fall möchte ich die Hauptstadt Nikosia sehen und vielleicht auch Aphrodites Felsen, das Epizentrum des touristischen Interesses auf Zypern, denn hier ist angeblich Aphrodite, die Göttin der Liebe und der Schönheit, dem Meer entstiegen.

Und vor allem will ich das Blau des Himmels, das Schwappen der Wellen und das Funkeln der Sterne in der Nacht genießen. Kaum Pläne machen. In den Tag leben und schauen, worauf wir Lust haben. Ich wünsche mir, dass ich mich selbst wieder hören lerne, denn das ist mir daheim irgendwie abhanden gekommen.

Während ich aufs blaue Meer blicke, denke ich darüber nach, was in meinem Leben so bleiben soll und was für mich nicht mehr geht. Vielleicht wird mich das Ergebnis selbst überraschen. Gut möglich, dass die Dinge aus der Entfernung ganz anders wirken. Das ist der Zauber des Abstands: Man ändert den Blickwinkel.

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Über dezembra

Anne: Frau, über 40, Redakteurin, Buchautorin, kinderlos und verliebt ins Leben, bloggt über Zwischenmenschliches und Psychosoziales, über Frauenthemen und Arbeitsdinge, übers Reisen und das Leben ohne Schilddrüse.

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