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#psyche: I’kati

Daheim habe ich drei Katzen. In Südafrika habe ich eine. Ein karamell und weiß gemustertes Mädchen, das wild hier in der Siedlung lebt. In diesem Jahr hat sie schon auf uns gewartet, als wir bei der Ankunft vom Flughafen im Taxi in die Einfahrt gefahren sind, und uns zuckersüß begrüßt. Also mich, mein Vater ist eher ein Hundemensch und kann mit der streichigen, schnurrigen Art von Katzen wenig anfangen. Ich habe mein Mädchen „I’kati“ getauft, das heißt „Katze“ auf Xhosa, der Sprache, die hier viele Menschen sprechen.

I’kati möchte eigentlich nur eins: gestreichelt werden. Ich habe schon versucht, sie zu füttern, weil sie zwar muskulös, aber natürlich Straßenkatzenartig ausgezehrt wirkt. Daran hatte sie aber gar kein Interesse. Vermutlich wird sie hier in der Siedlung von mehreren Menschen versorgt – und wahrscheinlich hat jede und jeder ihrer Eltern einen eigenen Namen für sie. :) Irgendwie gefällt mir das.

Futter möchte sie also nicht, nicht mal das leckere „Pamper“ mit dem Slogan „Bring out their Cattitude“, auf das meine Kater daheim total abfahren, weshalb ich es ihnen immer mitbringe. Aber die Streicheleinheiten fordert sie regelrecht ein, stupst mit dem Köpfchen, streicht laut schnurrend um meine Beine und wirft sich auf den Boden und präsentiert ihren Bauch zum streicheln. Noch nie hat sie mich gekratzt, immer nur geküsst. Gestern Morgen war sie wieder da und schlief in aller Seelenruhe auf dem Sessel im Wintergarten, als ich morgens ins Wohnzimmer kam. Mein Vater hatte ein Fenster geöffnet, um die Wärme des Vortrags herauszulassen, und I’kati hatte das als Einladung verstanden, auf dem weichen Polster auf mich zu warten. Ich nahm sie mit nach draußen und setzte mich mit einem Kaffee in der Hand auf die Stufe zum Garten, die Katze ganz nah bei mir. Sie haart wahnsinnig und müsste mal gekämmt werden, sie hat Krüstchen an den Augen und einige Narben im Gesicht von bestandenen Kämpfen, aber wenn wir zusammen so sitzen, ist sie einfach nur eine kleine Schmusekatze.

Gestern ist sie lange geblieben und rollte auf dem Rasen im Garten herum, während wir im Wintergarten frühstückten. Und da dachte ich zum ersten Mal: Was wäre, wenn ich sie mit heim nehmen würde? Wenn ich in Deutschland mit ihr regelmäßig zum Tierarzt ginge, sie impfen ließe, sie kämmen und säubern und ihre Wunden versorgen lassen würde, ihr ein Plätzchen an der Heizung mit Kuschelkissen ausstaffieren, sie jede Nacht in meinem Bett schlafen und ihr nach Herzenslust immer ein leckeres Essen geben würde? Viele Menschen retten ja Tiere aus anderen Ländern, um ihnen in Deutschland ein komfortableres Leben zu ermöglichen, das sollte also nicht unschaffbar sein.

Aber dann sah ich I’kati beim zufriedenen Herumrollen im Garten zu und verbot mir diesen Gedanken. Weil sie es hier gut hat. Vielleicht nicht Heizungstierarztkuschelgut. Aber in ihren Augen gut, denn das ist ihr Leben, das Leben, das das Schicksal ihr beschert hat. Und es mir nicht zustünde, dieses Leben zu verändern, nur weil es in meinen Augen kein perfektes Katzenleben ist. Es ist ja sogar ein perfektes Katzenleben. Sie geht, wohin sie möchte, frisst offenbar, was sie will (nicht mein Futter *g*), kämpft ihre Kämpfe und findet sogar ausreichend Streicheleinheiten.

Versteht mich nicht falsch, ich bin überhaupt nicht gegen das Retten von Straßentieren. Und natürlich vor allem nicht, wenn sie abgemagert und krank sind. Aber wir dürfen uns nicht anmaßen, davon auszugehen, dass unsere Idealvorstellung für jede Kreatur ideal ist. Das gilt im übrigen ja auch für Menschen. Alle sollten so leben dürfen, wie es gut und richtig für sie ist, solange sie dabei keine Anderen beschränken. Und wenn das bedeutet, dass sie nachts wach sind und tagsüber schlafen, wenn sie keine Karriere machen wollen, ihr Aussehen nicht aufpolieren und ihre Wohnung nicht verstylishen wollten, ist das ihre Sache. Das werde ich mir künftig wieder häufiger vor Augen halten, wenn ich denke, ich könnte Menschen in meinem Umfeld helfen und ihre Situation optimieren, ohne dass sie darum gebeten haben. Jeder Mensch ist einfach anders – und jedes Tier. Danke für die Erinnerung, I’kati.

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Über dezembra

Anne: Frau, über 40, Redakteurin, Buchautorin, kinderlos und verliebt ins Leben, bloggt über Zwischenmenschliches und Psychosoziales, über Frauenthemen und Arbeitsdinge, übers Reisen und das Leben ohne Schilddrüse.

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