Heute sind wir auf La Motte gewandert, einem wunderschönen Weingut in den Bergen vor Franschhoek. Für mich geht es morgen zurück nach Hause – und ich möchte gerade so viel Sonne, Blumenduft und wilde Natur in mich aufsaugen wie nur irgendwie möglich.
La Motte also. Fünf Kilometer auf schotterigen Wegen, entlang an Weinstöcken und hinauf in die Berge. „The trail has a Grade 1B rating and requires a fair degree of fitness“, heißt es auf der Webseite des Weingutes, auf der die schöne Route auch als „Sustainable Hike“ bezeichnet wird. Man muss sie vorab reservieren, ein bisschen Eintritt (90 Rand, das sind 4,50 Euro) kostet sie auch. Unterwegs begegnen einem exotische Vögel, schillernde Echsen, die auf Steinen in der Sonne liegen, man kommt an einem Protea-Garten vorbei und kann wundervolle Blumen, interessante Pflanzen und weite Ausblicke genießen. Von allen Wanderungen, die wir bei meinen bislang vier Aufenthalten hier gemacht haben, hat mir diese heute am besten gefallen.
Was man wissen muss, bevor man sich auf den Weg macht: Wandern in Südafrika ist häufig abenteuerlich. Man steigt über riesige Felsbrocken, schlittert glatte Steinwände entlang, zieht sich an Stahlketten hoch und muss die Füße gut anheben, weil man sonst über Geröll fällt. Wanderschuhe sind eine Notwendigkeit, genauso Stöcke, mit denen man sich abstützt, hochstemmt, die einfach permanent gebraucht werden. Mittendrin sagte ich zu meinem Vater: „Ich bin grade so dankbar für meine Wanderschuhe und vor allem für die gute Sohle.“ Und wirklich, ohne ein Profil lässt sich so ein Gelände nicht bezwingen. Ich war mal vor ein paar Jahren in Birkenstocks auf den spiegelglatten Paarl-Mountains, da bin ich nur so herumgerutscht. Das wird mir hier nicht nochmal passieren.










Profil gibt also Halt, Profil sichert den Tritt, Profil ist ein Vorteil. Wandern macht mich ja immer philosophisch, und es ist gedanklich nur ein Katzensprung zur Frage, warum wir Profil bei Schuhen gut finden, bei Menschen aber oft gar nicht so sehr. Klar mag ich charismatische Menschen (wenn sich die Exzentrik in Grenzen hält), aber für mein eigenes Profil geniere ich mich oft sogar ein wenig. Ich fühle mich sehr häufig zu laut, zu spaßvogelig, mein Humor ist zu derb und mein Lachen zu laut, meine Gedankengänge zu um-die-Ecke und meine Ansichten führen bei anderen manchmal zu Kopfschütteln, meine ich wahrzunehmen. Hier in Südafrika hat mal eine Freundin meines Vaters zu mir gesagt: „Du bist wirklich ein Rohdiamant.“ Ich wusste damals nicht so recht, was ich von dieser merkwürdigen Anmerkung halten sollte.
Dabei weiß ich im Grunde genau, dass die meisten meiner Menschen mich genau dafür lieben, dass ich so bin, wie ich bin. Nicht trotzdem, sondern genau deswegen, genau dafür. Und genauso liebe ich meine Menschen ja auch für ihre Spleens und Eigenheiten, denn die geben ihnen Grip im Fluss des Lebens, in dem sie ohne Profil keine Spur hinterlassen würden. Ich möchte mein eigenes Profil künftig also mehr wahrnehmen und besser nutzen. Ich möchte trittfest weiter durchs Leben gehen damit und auch Erinnerungsabdrücke hinterlassen bei denen, die mit mir in Berührung kommen. Ich denke, mit fast 43 habe ich genug Rillen gesammelt und darf mich das trauen.





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