Ich bin zu Hause – wie so viele von uns momentan. Und nachdem ich in den vergangenen Tagen wenigstens immer mal kurz unterwegs war, um für uns und andere einzukaufen, spazierenzugehen oder andere Erledigungen zu machen, bin ich heute mal wieder ganz bewusst daheim geblieben. Denn während ich gestern mit meiner Mutter einen unserer mittlerweile etablierten Spaziergänge auf Abstand unternahm, fiel mir auf, wie viele Leute bei dem schönen Wetter unterwegs waren. Ja, es war auf den Spazierwegen fast so voll wie an einem Frühlingssamstag. Da wir in unserem „Hood“ unterwegs waren, trafen wir einige Bekannte und blieben hier und dort auch mal stehen und unterhielten uns. Zu Dritt, zu Viert, zu Fünft. Natürlich ebenfalls mit Abstand, aber bitte sehr, irgendwie ist das doch auch nicht im Sinne des Erfinders, wo es doch heißt, man soll höchstens zu zweit unterwegs sein.
Ich habe das Gefühl, dass ich mich mittlerweile an die neue Situation gewöhnt habe und langsam etwas gelassener damit werde. Oder auch nachlässiger. Und das möchte ich nicht, da mir schon sehr bewusst ist, dass ich als halbwegs junger, zum Glück gesunder Mensch schnell zum Multiplikator werden kann, wenn es mich selbst erwischt.
Deshalb nun also heute die selbstgewählte Einsamkeit.
Da ich gelesen habe, dass die Corona-Krise kein guter Zeitpunkt zum Ausmisten ist, weil wir sowieso alle mehr Müll produzieren, wenn wir den ganzen Tag daheim sind, und unsere Tonnen schon überquellen, habe ich mich mit Haushaltsdingen beschäftigt. Und da man dabei super nachdenken kann, ist mir ein Spruch eingefallen, den ich in den vergangenen Tagen gelesen habe.
Den genauen Wortlaut habe ich gerade nicht mehr parat, aber sinngemäß ging es darum, immer nur das zu tun, was man gerade tut, statt mit den Gedanken schon beim nächsten Schritt zu sein. So ähnlich formuliert es auch die Autorin Karen Köhler in ihrem absolut atemberaubenden Buch „Miroloi“, das ich letztens verschlungen habe und von dem ich euch in den nächsten Tagen noch ausführlicher berichten möchte. Ihre Hauptfigur „kocht beim Kochen und wäscht beim Waschen“, weil alles andere für sie keinen Sinn macht.
Ich finde, dieser Kokon, in dem wir Nicht-Alltagshelden momentan leben, ist geradezu eine Einladung, mal darüber nachzudenken, wie wir uns eigentlich ansonsten durch den Tag bewegen.
Ich gebe zu: Ich koche selten beim Kochen und wasche selten beim Waschen. Beim Kochen höre ich Podcasts oder TedTalks oder überlege mir, ob das, was dort in der Pfanne vor sich hinbrutzelt, fotogen genug für Instagram ist. Ich unterhalte mich mit Björn über unseren Tag oder habe nebenbei den Fernseher laufen. Ich denke darüber nach, welche Servietten aus meiner großen Sammlung ich heute benutzen möchte, was ich am nächsten Tag im Supermarkt besorgen muss, und ich nutze kleine Pausen, um schon einmal den Tisch zu decken, die Spülmaschine auszuräumen oder mal über den Fliesenspiegel zu wischen. Und irgendwie tue ich so ziemlich alles, außer mich aufs Kochen zu konzentrieren.
Das führt dazu, dass ich selbst in Alltagssituationen einen leichten chronischen Stress empfinde. Dabei ist das gar nicht notwendig, denn im Grunde genommen würde es ja langen, all die anderen Dinge zu erledigen, wenn die jetzige Tätigkeit, das Kochen also, abgeschlossen ist. Aber ich bin von der Gesellschaft dazu erzogen worden, ohne Leerlauf zu arbeiten und mich effektiv durch den Alltag zu bewegen. Und das klappt sehr gut. So gut, dass ich völlig unreflektiert drei Dinge gleichzeitig tue und nichts davon richtig. Mein Essen brennt an. Björn ist unzufrieden, weil ich ihm nicht richtig zuhöre. Und wofür das alles?
Diese Erkenntnis macht mich echt traurig, denn wenn wir bei allem, was wir tun, schon ans Nächste denken, das wir erledigen müssen, leben wir in keiner Zeit wirklich: nicht in der Gegenwart, nicht in der Zukunft, gar nicht.
Ich versuche also, in den nächsten Tagen immer nur noch eine Sache gleichzeitig zu machen. Das wird ganz schön schwierig, aber es ist sicher machbar, wenn ich mich selbst immer wieder daran erinnere.
Ein Wort noch, ich will Corona wirklich nicht verharmlosen oder irgendetwas schönreden. Aber da die Situation nun einmal ist, wie sie ist, glaube ich fest daran, dass wir das Ganze als Atempause begreifen müssen, die wir unter normalen Umständen niemals bekommen hätten. Und das ist, bei aller Angst und Trauer überall auf der Welt, eine verdammt große Chance. Eine Einladung zur Einkehr. Ich hoffe, dass wir Menschen als großes Ganzes diese Gelegenheit, persönlich zu wachsen und zu lernen, nicht verstreichen lassen.
Wie geht es Euch in Eurem Kokon? Wofür nutzt Ihr die plötzlich „geschenkte“ Zeit? Und was glaubt Ihr, was wir daraus mitnehmen können?