
Cole Chance, eine meiner liebsten Yoga-Mentorinnen auf YouTube, ist gerade in Quarantäne in Australien. Wie sie in ihrem aktuellen Yoga-Video erzählt, ist sie nur einen Tag, bevor die Grenzen geschlossen wurden, nach Australien eingereist – und sofort in 14-tägige Isolation geschickt worden. Nun sitzt Cole in einem düsteren Zimmer mit Holztreppe vor einem Kamin in den Blue Mountains und philosophiert über die aktuelle Situation, während sie ihren Yoga-Flow filmt. Dabei geht es diesmal offensichtlich weniger ums Yoga als vielmehr um das, was sie der Welt sagen möchte.
It’s not often that we all go through a similar thing and having similar fears and worries and stresses. But what’s interesting is that as humans, we have so many of the same things always going on – yet we always feel seperate. Right now we’re so connected but all of us are quite isolated at the same time. We’ll learn a lot from that.
Cole Chance im Video „Yoga for Challenging Times“
Allein in Quarantäne – in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent – zu sein ist sicher eine Extremsituation. Sie sieht blass aus, traurig und dünn, ich glaube, das Ganze nimmt sie doch ziemlich mit. Ihr Video macht mich nachdenklich, denn so zurückgeworfen auf die absolute Einsamkeit scheint sie vieles infrage zu stellen, auch sich selbst. Die eigene Identität, vielleicht sogar die eigene Existenz.
Denn wenn niemand da ist, der uns sehen kann, gibt es uns dann überhaupt?
Oder mit anderen Worten: Wenn ein Baum im Wald umfällt und niemand hört es, gibt es ein Geräusch?
Das ist eine Frage, die auch immer mal wieder in der Popkultur auftaucht (sogar bei den Simpsons, true story) und die angeblich ihren Ursprung in einer alten indischen Meditationstechnik hat. Das finde ich sehr interessant. Denn danach zu fragen bringt den Gedanken auf, der Empfänger, das wahrnehmende Gegenüber, sei mehr als ein passives Element, sondern würde gebraucht werden, um den Sender in seiner Existenz zu bestätigen. Um den Sender in einen gesellschaftlichen Kontext einzuordnen und ihm dadurch eine Existenzberechtigung zu geben. Das ist superspannend.
Cole hat kein Gegenüber, sie spricht also zu ihrer Handykamera darüber, wie das Aufbrechen unserer Wohlfühlmuster uns irritiert. Aber dass diese Irritation auch eine Chance sein kann, uns zu verändern und an die neue Situation anzupassen, daran zu wachsen. Und sie fragt in ihrem Video in die Welt hinaus:
Our pattern has been shook up. So what do we do now?
Cole Chance im Video „Yoga for Challenging Times“
Danach herrscht erstmal einige Sekunden Schweigen, denn eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Ich glaube, meine Überlebensstrategie in einer solchen Extrem-Einsamkeit wäre folgende: Wenn wir so auf uns selbst zurückgeworfen werden, sollten wir uns unserer eigenen Existenz versichern, indem wir uns das über uns selbst bewusst machen, dessen wir uns sicher sein können. Vielleicht aufschreiben, was wir über uns wissen. Ganz simpel mit den körperlichen Eckpunkten anfangen und beim Charakter weitermachen, bei Vorlieben und Abneigungen, Wünschen, Hoffnungen und Plänen. Und dann aufschreiben, was andere über uns sagen, um uns selbst im Kontext einzuordnen und zu verankern.
Daran anknüpfend können wir dann eine innere Reise antreten und versuchen, möglichst viel aus der Situation zu lernen. Aber nicht, ohne vorher einen Anker auszuwerfen, denn sonst ist die Rückreise an die Oberfläche – Inception-Style – vielleicht gar nicht mehr so einfach.
Mal aufzuschreiben, was man über sich selbst weiß, ist übrigens auch in Nicht-Quarantäne eine interessante Sache. Da ich mich ja gerade beruflich verändere, habe ich letztens mal einen Post-It-Baum mit meinen Talenten, Ansprüchen und Weiterbildungswünschen an meine Zimmertür geklebt. Und siehe da, allein, das alles mal vor mir zu sehen und nach Wichtigkeit strukturieren zu können, war wirklich hilfreich.
Ich wünsche Cole, dass sie die Nerven behält und stark bleibt – und werde gespannt alle weiteren Videos aus ihrer Quarantäne mitverfolgen.
Gern möchte ich hier noch ein paar gute Wünsche hinzufügen. In solch eine Situation zu kommen, ist ja wirklich sxhlimm. Und daraus nun etwas Gutes zu machen, finde ich sehr tapfer. Für die Übungen selbst habe ich weinig Begabung. Möge diese ungewollte Isolierung etwas Gutes bewirken für die Joga- lehrerin und auch sonst. Ich finde es immer sehr schön, wenn Menschen einander helfen und andere Menschen auf die Not anderer aufmerksam machen. Wie dort geholfen werden könnte, weiß ich noch nicht.