@work: Wie es sich anfühlt, in der Corona-Zeit einen neuen Job anzutreten

Seit Montag bin ich Redakteurin in einer sehr netten, sehr hippen Kommunikationsagentur im Frankfurter Westen. Für alle, die nicht wissen, was das bedeutet: Meine neue Agentur liefert ihren Kunden Texte, zum Beispiel für Mitarbeiterzeitschriften, Broschüren oder Intranet-Posts, und berät sie in vielen Fragen rund um Kommunikation.

Für mich ist das eine ziemliche Veränderung. Bisher habe ich als Redakteurin in Zeitungsredaktionen und bei Verlagen gearbeitet (zuletzt beim wdv-Verlag, dessen Führung ihn zwar selbst gern als Content-Marketing-Agentur bezeichnet, wahrscheinlich aber nicht mal weiß, was das eigentlich bedeutet).

Nun also Agentur. Und dann auch noch in Corona-Zeiten.

Den allerersten Tag meines neuen Jobs, den Montag, durfte ich mit meiner sehr netten Personalkollegin vor Ort verbringen. Ich bekam alles gezeigt, meine Zugänge eingerichtet, einen Laptop und sogar schon eigene Visitenkarten übergeben. Und am Dienstag ging es dann ins Homeoffice. Und puh – das war einfach gar nicht so entspannt, wie man vielleicht denken würde.

Was für eine erste Woche! Es war sofort wahnsinnig viel zu tun, ich wurde überall eingebunden, hatte gefühlte tausend Videotelefonate jeden Tag. Dazu die ganzen neuen Themen, mit denen ich mich nicht auskenne, und über allem eine große Fremdheit, eine Irritation, die am Anfang immer ganz normal ist. Aber dann war da auch das oft sehr bleierne Alleinsein, die Stille daheim, obwohl ja wenigstens die beiden Katzen da sind.

Es ist eine bemerkenswerte Zeit, um einen neuen Job anzufangen. Denn nichts von dem, was normalerweise eine erste Woche einigermaßen erträglich macht, konnte stattfinden. Kurzer Kollegenplausch in der Kaffeeküche: fällt aus. Gemeinsame Mittagspause: nope. Meine neuen Kollegen haben sich Möglichkeiten überlegt, das irgendwie abzufangen – und so habe ich zum Beispiel momentan jeden Tag eine digitale Kaffeepause, in der ich mit einem täglich wechselnden Gegenüber mal ein paar Minuten privat rede. Und mittags könnte ich zum täglichen Mittagszoom dazustoßen.

Das ist sehr nett und notwendig, um sich nicht komplett allein zu fühlen. Aber trotzdem ist es was ganz anderes, als jemandem in der Realität gegenüberzusitzen. Und obwohl sich alle so viel Mühe geben und ich eigentlich nie wirklich eine Minute Leerlauf hatte zwischendurch, ging es mir am Dienstag und Mittwoch psychisch gar nicht gut.

Ich weiß, dass ich wahrscheinlich auf hohem Niveau klage. Mir ist bewusst, dass es viele Menschen gibt, die sich diese Probleme gerade wünschen würden, weil sie zusätzlich zu ihren Homeoffice-Aufgaben auch noch Kinder zu betreuen haben, die ihnen keine Ruhe lassen. Aber für mich fühlte sich Mitte der Woche alles ziemlich trostlos an.

Ab Donnerstag wurde es dann plötzlich besser.

Das lag einerseits daran, dass ich ganz langsam in den neuen Themen ankam, erste Zusammenhänge verstand und nicht mehr alles so überwältigend neu war. Aber es lag auch an gewissen ersten Erfahrungswerten zum Thema Homeoffice, über die ich mich hier gerne mit Euch austauschen würde. Denn ich fürchte, es wird noch dauern, bis wir alle wieder ins Büro können. Und wenn man nicht geistig implodieren möchte, braucht man Überlebensstrategien.

Fünf Dinge habe ich in meiner ersten Woche Homeoffice gelernt:

1. Man kann bewusst entscheiden, sich nicht ganz so sehr zu stressen

Am Mittwochabend beschloss ich, dass ich das nur durchhalte, wenn ich einen Gang runterschalte und mich nicht mehr so verrückt mache. Ich neige dazu, mich sehr in neuen Aufgaben zu verlieren, mich in alles sehr reinzusteigern und bin eine klassische Over-Thinkerin. Aber mir ist klar geworden, dass ich selbst in der Hand habe, ob ich so weitermache oder etwas gelassener mit der neuen Situation umgehe. Dabei hilft auch, sich bewusst zu machen, dass es eben nicht immer so sein wird. Diese Corona-Krise ist für alle eine Ausnahmesituation. Und als „Neue“ im Unternehmen gleich in doppelter Hinsicht. Es wird besser werden. Das darf man nicht vergessen und nicht zu hart zu sich sein.

2. Es gibt Chillhosen und Chillhosen

Ab dem ersten Tag habe ich morgens geduscht, mich geschminkt und ordentlich angezogen. Okay, vom Nabel abwärts trage ich – wie Gesamtdeutschland momentan – immer irgendeine Jogginghose. Aber tagsüber ist es eine halbwegs seriöse, einfarbige Version – eine Art Arbeitsoutfit. :) Abends darf dann das Snoopy-Muster ran.

3. Man ist daheim und doch nicht

„Wenn ich daheim bin, räume ich zwischendurch mal die Spülmaschine aus. Ich lass die Wäsche laufen, füttere die Katzen, backe eine Hochzeitstorte. Alles ist möglich.“ Nein, leider nicht. Okay, es war meine erste Woche, okay, ich hatte viel zu tun. Aber es war einfach keine Zeit, nebenher irgendwas im Haushalt zu machen. Deshalb sah die Küche abends noch genauso chaotisch aus wie morgens. Ich muss akzeptieren, dass ich ab dem Moment, in dem ich morgens den Laptop anschalte, nicht mehr daheim bin.

4. In mein Büro ist ein Schotte eingezogen

Privat höre ich kaum Radio. Daheim herrscht eigentlich so gut wie immer Stille, es sei denn, ich höre mir bewusst etwas an. Und im Auto läuft hr-info. Ich verabscheue Hintergrundrauschen, zum Konzentrieren brauche ich absolute Stille. Doch nun ist plötzlich alles anders. Im Homeoffice geht es mir am besten, wenn ich den ganzen Tag leise Webradio auf dem Handy laufen habe. Und zwar nicht irgendwas, sondern Smooth Radio Scotland. Den Sender haben Anne und ich entdeckt, als wir 2018 einen Roadtrip durch Schottland gemacht haben und gerade im Feierabendverkehr rund um Glasgow steckten. Mein Stresslevel sank sofort, als ich die entspannenden Klänge von softem Kuschelrock der 80er und 90er hörte. Diese Instant-Entspannung empfinde ich auch heute, zwei Jahre später, noch sofort, wenn ich den Sender auf dem Handy aufrufe, und sie hält den ganzen Tag an. Dazwischen die schottischen Moderatoren, dank derer ich mich nicht alleine fühle, und Werbeclips für Dinge, die es bei uns nicht zu kaufen gibt – wundervoll. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich mich besser konzentrieren kann, wenn ich das Gefühl habe, nicht allein zu sein. In den vergangenen Jahren hatte ich immer Zweier- oder Dreierbüros, daran bin ich gewöhnt. Für mich persönlich am interessantesten ist, dass ich privat nach wie vor Stille bevorzuge. Die neue Liebe zum Radio beschränkt sich rein auf den Arbeitstag.

5. Eine stille Mittagspause bekommt mir nicht

Wenn ich den ganzen Vormittag Videomeetings hatte, möchte ich in der Mittagspause einfach nur meine Ruhe. Dachte ich am Anfang. Also ging ich in den Park oder las beim Essen. Hauptsache Stille. Aber das ist es nicht, das macht mich nicht glücklich. Also telefoniere ich jetzt in der Mittagspause mit meiner Mutter oder einer Freundin, lasse mich von den Gesprächen ablenken und lache mit Menschen, die ich mag. Super funktioniert es für mich auch, beim Essen mit anderen armen Seelen videozutelefonieren. Zum Beispiel mit meiner Freundin Anne: Während sie mit ihrem Essen auf dem Balkon ihrer Wohnung sitzt, sitze ich in meinem Lieblingssessel und balanciere meinen Teller auf dem Schoß. Zusammen verbringen wir herrliche 30 Minuten, bevor jede von uns weiterarbeitet. Perfekt.

Habt Ihr vielleicht noch weitere Tipps für mich? Wie kommt Ihr klar im Homeoffice? Freut Ihr Euch drauf, irgendwann wieder ins Büro zu dürfen?

8 Kommentare

  1. Danke für den Tipp mit dem Schotten. Bei mir ist jetzt auch einer eingezogen und weckt Erinnerungen an die Jahre in Aberdeen und die Wochen in Orkney.
    Toi toi toi weiterhin beim Arbeitsstart.

    1. Es hat sicher auch gute Seiten. Zum Beispiel, dass ich, wenn alles wieder normal läuft, thematisch nicht mehr neu sein werde, sondern gleich richtiger Teil des Teams. Und die Katzen freuen sich, dass ich daheim bin. Und ich spare Benzinkosten und Fahrtzeit. Ich kann dem Paketboten die Tür öffnen. Etc. Es ist hier wie immer: Man muss sich bewusst auf die guten Seiten konzentrieren, dann treten die schlechten in den Hintergrund.

      1. Ja, das Homeoffice ist doch etwas Gutes. Das ist also eine der guten Seiten. Katzen, Postbote… Ja, das alles wäre ohne diese Krise nicht möglich.

  2. Oh, wie spannend, ein neuer Job! Alles Gute dafür!
    Ich habe damals sehr dafür gekämpft, als Freie in der Redaktion arbeiten zu dürfen und nicht ins Home-Office zu müssen. Gerade mit Kindern. Aber es geht schon, wenn man muss. Bedarf halt Disziplin und guter Strukturierung. Mittlerweile komme ich sehr gut damit klar. Ich mache mir jeden Morgen einen Plan, welche Termine es gibt, was mein Mindest-Tagessoll ist. Da trage ich auch ein, wenn zwischendurch Wäsche aufgehängt werden muss z.B.
    Meiner Erfahrung nach braucht man vor allem ein bisschen Übung fürs Home-Office. Du schaffst das! ;)

    Liebe Grüße,
    Lena

    1. Oh wow – so dicht ist dein Homeoffice-Tag? Ich hatte ja keine Ahnung. 😳 Ich hoffe, dass es sich bei mir etwas einspielt und mein Zeitmanagement besser wird dadurch. Danke für die Glückwünsche.

  3. Die Idee mit der virtuellen Kaffeepause mit unterschiedlichen Kollegen finde ich sehr charmant ! Werde ich wenn mein neuer Kollege anfängt direkt mal adaptieren :)

    Danke für den Tipp !
    Liebe Grüße
    Judith

    1. Ja, das würde ich auf jeden Fall empfehlen. Es ist nicht nur charmant, sondern geradezu notwendig. Sonst ist der neue Kollege völlig verloren.
      Alles Gute für seinen Start!

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