Offene Bühnen haben etwas magisches und sind zugleich beängstigend. Denn jeder, der sich traut und etwas zu sagen hat, darf das tun – auf eigene Gefahr. Doch offene Bühnen bieten eben auch die große Chance, die Reaktion eines kulturinteressierten Publikums auf einen Text zu hören und ein bisschen zu üben, bevor es ernst wird. Das ist der Grund, warum ich ab und zu bei so etwas teilnehme, auch wenn ich oft ziemlich aufgeregt bin vorher.
Schon im vergangenen Jahr war ich mit meiner Kollegin und Freundin Pia Rolfs im Bad Sodener Ramada-Hotel, in dem in regelmäßigen Abständen eine kleine Gruppe Menschen zusammenkommt, um sich gegenseitig zuzuhören. Das Ganze nennt sich dann Kulturcafé und ist eine reine Improvisation der Veranstalter. Denn auch sie wissen vorher nicht, wer nach vorne kommen und was gelesen, gespielt oder gesungen wird. Doch wie immer fügte sich das Programm auf geheimnisvolle Weise so zusammen, dass alles passte. Musik und Lesungen wechselten sich ab, es gab Texte von uns, Mark Twain und Siegfried Lenz, Blues auf der Mundharmonika, Country mit Banjo, eine Frau mit tiefer Stimme und Quetschkommode – und mittendrin Pia und mich. Falls Ihr mögt, schaut doch auch mal auf Pias Webseite vorbei, sie schreibt wunderbar zynische Kolumnen für die FNP, hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht und kann sowohl ernst als auch lustig.
Für mich war das Kulturcafé auch eine Art Experiment. Denn das Publikum in Bad Soden besteht zum Großteil aus Zuhörern jenseits der 50. Und obwohl ich dort ja schon mal gelesen habe, war damals nicht nur meine Frisur eine ganz andere: Während ich vor gut eineinhalb Jahren eine nachdenkliche, melancholische Geschichte gewählt hatte, habe ich diesmal aus meinem Buch gelesen, in dem es ja deutlich frecher und lustiger zugeht. Die Leute haben zugehört, gelacht und danach meine mitgebrachten Verlagspostkarten mitgenommen. Eine Frau rief: „Das Buch muss ich meiner Tochter kaufen, die ist auch noch unverheiratet!“ ;)
Es lief gut, auch wenn die Reaktion insgesamt anders war als auf meine ernsten Short Stories. Aber das kenne ich ja schon, denn das habe ich seit meiner Veröffentlichung häufiger erlebt: Weniger stille Bewunderung, mehr nahbare Autorin. Das finde ich aber gar nicht so schlecht, auch wenn es ja kein Geheimnis ist, dass ich nach wie vor auch meine ersten Dinge gerne veröffentlichen möchte. Aber wenn ich etwas lustiges vorlese, komme ich mit den Menschen ins Gespräch; plötzlich hat jeder etwas ähnliches zu erzählen und es wird viel gelacht. Und das gefällt mir auf ganz eigene Weise sehr. :)