#throwback: Fürs Glück entscheiden

Foto: Alex Alvarez

Heute vor einem Jahr habe ich nach kürzester Zeit meinen neuen Job gekündigt. Mitten in der ersten Welle, in dieser Jobflaute freiwillig zurück in die Arbeitslosigkeit zu gehen war natürlich ein großes Risiko. Aber ich hätte es keinen Tag länger ausgehalten.

Auf meinen Artikel „Warum ich meinen neuen Job nach nur zwei Wochen gekündigt habe“ kamen unheimlich viele liebe Kommentare und Nachrichten, die mich bekräftigt und meinen Mut gelobt haben. Damit habt Ihr mir in dieser schlimmen Zeit sehr geholfen. Bis heute ist dieser Artikel einer der Meistgelesenen hier auf dem Blog.

Und auch zwölf Monate später bekomme ich ab und zu noch Mails von Menschen, die gerade ähnliches erleben.

Sie erzählen mir ihre Geschichte, berichten von ihrer Verzweiflung und bitten um Rat. Und ich schreibe dann meistens: „Kläre deine finanzielle Situation, so dass du eine informierte Entscheidung treffen kannst. Und wenn es finanziell machbar ist, dann geh.“

Es ist komisch, dass so mancher die Erlaubnis einer Wildfremden aus dem Internet braucht, um diesen Schritt zu machen. Aber ich verstehe sehr gut, woher das kommt. Denn es geht bei so einer Kickstarter-Kündigung nicht nur ums Finanzielle. Die Verunsicherung geht tiefer, genau wie meine damals. Die Leute, die mir schreiben, fragen sich: „Kann ich meine neuen Kolleginnen und Vorgesetzen wirklich so vor den Kopf stoßen, nachdem sie mir ihr Vertrauen ausgesprochen haben?“

Foto: Raphael Lovaski

Ja, das geht. Weil es sein muss. Und weil sogar ich es geschafft habe. Dabei mache ich mir immer viel zu viele Sorgen darum, was andere wohl denken oder ob sie sich befremdet fühlen könnten durch meine Entscheidungen.

Ich verstehe sehr gut, dass man dabei Bauchschmerzen hat. Aber wenn man sich ohnehin schon entschieden hat, muss es sein. Und wenn es nicht persönlich geht, weil man kein Wort herausbekommt, wenn man die Chefin am Telefon hat – dann macht man es eben schriftlich. Das mag nicht gerade die feine Art sein, aber das ist in diesem Moment nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Kündigung ausgesprochen und die Info in der Welt ist.

Viele, die mir schreiben, wollen wissen:

Wie geht es mir heute, ein Jahr später?

Ich vermute mal, sie fragen nicht nur aus Höflichkeit, sondern weil eine Geschichte mit Happy End auch ihnen Hoffnung gibt. Ich kann nur sagen: Ich habe die Entscheidung nicht bereut, keine einzige Sekunde. Sie war nötig und außerdem sehr sinnvoll.

Ich war drei Monate arbeitslos, bevor ich meine jetzige Tätigkeit angetreten habe. Und die ist genau das Richtige für mich. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich mich zugehörig und unterstützt, geschätzt und gehört, frei und intellektuell herausgefordert. Es gibt also tatsächlich so etwas wie ein Happy End.

Damals, als ich so unglücklich war und kurz bevor ich gekündigt habe, haben mir viele gut zugeredet, ich solle es doch noch etwas länger versuchen, nur noch etwas länger durchhalten. Nur noch bis zum Monatsende. Nur bis zum Ende der Probezeit. Oder wenigstens, bis ich etwas anderes gefunden habe.

Foto: Ksenia Makagonova

Sie alle haben es gut gemeint, das weiß ich. Und doch, wie froh bin ich, dass ich darauf nicht gehört habe. Denn hätte ich „weiter durchgehalten“, hätte ich meinen tollen jetzigen Job nicht bekommen. Die Bewerbung dafür habe ich nämlich an dem Montag nach der samstäglichen Kündigung abgeschickt. Hätte ich nicht gekündigt, hätte ich mir und dem Leben nicht diesen Vertrauensvorschuss gegeben, hätte ich gar keine Zeit gehabt, mich zu bewerben. Ich wäre an diesem Montag wieder zur Agentur-Arbeit gegangen, hätte in Meetings festgesessen, Tweets für Vorstandsbosse verfasst und Textentwürfe für Kunden getippt, während ich Panik und Depression niederzukämpfen versucht hätte. Und ich hätte nicht gewusst, dass die Chance auf einen besseren Job, den besten, gerade ungenutzt verstreicht.

Mit anderen Worten:

Ich wäre nicht glücklich geworden, wenn ich unglücklich geblieben wäre.

Ich weiß nicht, ob das für Euch Sinn macht, aber für mich habe ich es als starke Wahrheit erkannt: Der erste Schritt ist, das Unglück aktiv zu beenden. Auch wenn es bedeutet, dass wir ins Ungewisse gehen. Aber das ist wichtig. Denn wir brauchen unsere Zeit und unsere Kraft, um etwas Besseres zu finden – und mit beiden Händen zuzugreifen, wenn die Chance kommt.

2 Kommentare

  1. Doppelt angekreuzt und unterstrichen! 👍 Richtig gemacht und super, dass du anderen von deinen Erfahrungen berichtest und Mut machst. LG Anke

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