#feiertage: Enttäuschte Erwartungen

Foto: Valentin Petkov

Frohe Weihnachten, liebe Leserinnen und Leser meines Blogs. Ich weiß ja nicht, wie Heiligabend und der erste Feiertag bei Euch bisher waren. Aber bei uns lief mal wieder so einiges schief.

Wegen der Pandemie fand der Weihnachtsgottesdienst in Schwalbach am Taunus nun schon zum zweiten Mal draußen im Park vor der alten Kapelle statt. Das Organisationsteam hatte wieder viele brennende Kerzen auf den Boden gestellt, die als Abstandshalter dienten und außerdem ein wunderschön warmes Licht zauberten. Dazu noch der zauberhaft beleuchtete Weihnachtsbaum, neben dem der Posaunenchor sich positionierte, um „Freut Euch, Ihr Christen“ zu spielen. Ein goldener Lichterglanz also, der so richtig schön gemütlich wirkte.

Bis …

Bis eine ältere Gottesdienstbesucherin einen Schwächeanfall bekam. Und der Krankenwagen mit Sirenengeheul und Blaulicht angerast kam. Es war eine merkwürdige Situation, denn natürlich konnte der Gottesdienst auch nicht einfach so fortgeführt werden. Also unterbrach die Pastoralreferentin, die ihn leitete, ihren Ablauf und ließ die Kapelle ein paar Minuten Hintergrundmusik spielen, während die Sanitäter die Frau auf eine Trage luden und zum Krankenwagen brachten. Das Martinshorn war zwar mittlerweile zum Glück verstummt, aber das Licht zuckte und blinkte immer noch in seinem grellen, stechenden Blau. Als die Frau eingeladen war, fuhr der Krankenwagen aber nicht weg, sondern blieb stehen – und blinkte und leuchtete für den Rest des Gottesdienstes mit seinem schweigenden Blaulicht.

Christvesper am Heiligen Abend 2021 in Schwalbach am Taunus – mit Blaulicht.

Das war für mich wirklich schwer zu ertragen, und ich glaube, für einige andere auch, die sich die Hand vor die Augen hielten, weil es einfach zu grell war. Der Gottesdienst lief bestimmt noch eine halbe Stunde ab da an, und die ganze Zeit blendete das kalte blaue Licht.

Wenn man ohnehin empfindlich auf Reize wie Licht und Geräusche reagiert, ist so etwas fast körperlich schmerzhaft. Es ist purer Stress für mich, einem solchen Licht ausgesetzt zu sein und mich nicht schützen zu können. Entsprechend gestresst und gereizt war ich dann auch, als wir nach dem Gottesdienst zurück zur Wohnung meiner Mutter gelaufen sind. Und ich fürchte, ich habe auf dem kurzen Spaziergang zurück auch nicht gerade Weihnachtsstimmung verbreitet. Aber später wurde es dann besser, ich beruhigte mich wieder, trank ein Glas Wein und machte ein bisschen Weihnachtsjazz an. Da war es dann auch okay, dass das Fondue nicht richtig heiß wurde, dann plötzlich zu heiß war und überkochte, so dass der ganze Tisch im Fett schwamm. So what. Im Grunde war es eine Erlösung, dass schon auf der Gottesdienst so unperfekt gewesen ist. Da hatte man dann später auch keinen Druck mehr.

Später habe ich einen Freund, der im Rettungsdienst aktiv ist, gefragt, warum die Sanitäter das Licht haben laufen lassen. Und er meinte, das sei notwendig gewesen, weil sie im Gegenverkehr standen und mit dem Blaulicht das Fahrzeug sichern mussten. Das verstehe ich. Und ich hoffe, es geht der Dame gut. Die Pastoralreferentin baute übrigens spontan noch eine Fürbitte für sie und alle, denen es nicht gut geht, ein, was mir sehr gefallen hat.

Trotzdem gebe ich zu, dass es mich traurig gemacht hat, dass der Gottesdienst auf diese Weise beeinflusst wurde.

Ich möchte nicht sagen, verdorben, aber es war schon eine deutlich andere Stimmung als erhofft. Ich habe mir so sehr gewünscht, dort dringend benötigte Ruhe und ein bisschen Weihnachtsfrieden zu finden, doch den gab es nicht. Aber: Spätabends, als ich nach einem üppigen Essen und einem Abend voller Weihnachtssongs zurückgefahren bin, wurde im Radio die Christmette aus dem Dom in Hannover übertragen. Und während ich so fuhr, hatte ich plötzlich ein starkes Gefühl des Friedens, den ich bei der Christvesper so vermisst habe.

Während die Gemeinde im Dom zu Hannover sang, dachte ich an all die anderen Weihnachtsfeste, die nicht so gelaufen sind, wie ich es mir vorher erträumt hatte. Denn natürlich erinnere ich mich vor allem an die, die alles andere als perfekt waren. Lustig, oder?

Perfekte Weihnachten? Gibt es wahrscheinlich nur im Film. Foto: Alisa Anton

Ganz konkret fällt mir der Heiligabend vor ein paar Jahren ein, als meine Oma einen medizinischen Notfall hatte. Das Essen stand auf dem Tisch, die Geschenke lagen unter dem Baum – und plötzlich stapften Sanitäter durch die Weihnachtsidylle und schnallten meine verängstigte Oma auf eine Trage, um sie aus dem ersten Stock die Treppe runter zu tragen. Meine Mutter und ich fuhren dem Krankenwagen hinterher ins Krankenhaus. Den Rest des Abends verbrachten wir in der Notaufnahme, und auch dort stand ein kleiner bunt geschmückter Weihnachtsbaum, der mich in eine ganz schräge, melancholische Weihnachtsstimmung brachte. Irgendwie war plötzlich alles egal, das ganze Essen und der ganze Geschenkerummel, all die Vorbereitungen, all der Weihnachtsstress. Die ganze aufgeblasene Festtagsstimmung. Wir hatten nur noch einen Wunsch: Dass meine Oma den Abend überstehen würde. Und so war es dann auch; nach ein paar Tagen ging es ihr wieder gut und sie konnte entlassen werden.

Man sagt das immer so dahin, dass die Menschen das Wichtigste seien.

Man wünscht sich gegenseitig geruhsame Zeit mit den Liebsten, aber im Grunde sind das meistens leere Worte, weil man schon vorher genau weiß, dass es nicht geruhsam wird. Nur, wenn dann mal wirklich etwas ist, merkt man schnell, dass die Betonung dabei gar nicht auf „geruhsam“ sondern auf „Zeit mit den Liebsten“ liegt. Denn die ist leider endlich.

Ich finde, es ist in Ordnung, wenn die Feiertage nicht so laufen wie geplant. Oder wenn das Leben nicht so läuft wie geplant. Natürlich wird niemand gerne enttäuscht, aber andererseits sind es nur die außergewöhnlichen Vorfälle, an die wir uns erinnern. Und Leben ist nun mal das, was passiert, während wir andere Pläne machen. Auch das hat die Pandemie uns gelehrt. Und so anstrengend die letzten zwei Jahre waren – dafür bin ich dankbar.

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