Gastbeitrag im A Journal: Wie ich den Job fand, den ich liebe, und ein Volontariat bekam

Wie manche vielleicht wissen, habe ich im Studium gemeinsam mit meinen Freunden Heike und Karsten ein kleines Magazin gegründet. Das A Journal ist viele Jahre lang monatlich im Print am Institut für England- und Amerikastudien (IEAS) erschienen. Und noch heute, fast zehn Jahre nach seiner Gründung, läuft das A Journal – mittlerweile zeitgemäß als Online-Publikation. Das freut mich unheimlich, denn es zeigt, dass es ganz viele engagierte Jungjournalisten gibt. Nun haben die aktuellen Chefredakteure mich gebeten, etwas über meinen Weg zum Volontariat zu schreiben und den Kids ;) von heute ein paar Tipps zu geben. Ich erzähle darin, wie ich das Volontariat bekommen habe und warum ich mich für den Journalismus entschieden habe. Parallel dazu schildert eine ehemalige Kommilitonin, warum sie sich dann letztlich doch gegen den Journalismus entschieden hat. Beide Texte findet Ihr online auf der Webseite des A Journals, meinen auch hier im Anschluss.

 

Volontariat? Ja, bitte! Mein Weg zur Redakteurin

Als ich im zweiten Semester war, dachte ich darüber nach, was einmal aus mir werden sollte. „Irgendwas mit Schreiben“ wollte ich machen, das war klar, aber was? Ich bewarb mich beim Höchster Kreisblatt, einer Lokalzeitung, die auch in meinem damaligen Wohnort Schwalbach am Taunus stark vertreten ist. Dort schrieb ich die ersten sechs Wochen lang Meldungen und kleinere Texte in der Redaktion in Hofheim. Ich war 21 Jahre alt und absolut unerfahren. Ich beobachtete die Redakteure bei der Arbeit. Permanent telefonierten sie und kritzelten irgendetwas Unleserliches in ihren Block, eilten zu wichtigen Besprechungen, tippten hektisch auf ihren Tastaturen herum oder starrten leise lesend auf ihren Bildschirm, der damals noch nicht schick und flach war, sondern die Hälfte des Schreibtischs einnahm. Sie fingen spät an und arbeiten oft bis tief in die Nacht, waren süchtig nach Koffein und Zigaretten und immer ein wenig genervt von der Inkompetenz aller anderen. Sie beauftragten Reporter mit Geschichten, trafen sich während der Arbeitszeit mit wichtigen Gesprächspartnern auf einen Kaffee und wussten, wann sie welche Information preiszugeben hatten.

Volo beim HK
2012: Volontärin in der Redaktion in Hofheim.

Das beeindruckte mich. Diese Leute waren Superstars! Von ihrem Schreibtisch aus schienen sie ein ganzes Universum zu regieren. Am Anfang irritierte mich dieses unglaubliche Tempo, in dem hier gearbeitet wurde. Die Luft schien fast zu flirren vor Produktivität. Doch dann gewöhnte ich mich daran, dass bei einer Tageszeitung alles sofort erledigt werden musste. Ich begann, mir Listen zu schreiben, begann, zu verstehen, wie wichtig eine hohe Schlagkraft war – und sah, dass man sehr schnell an Informationen kam, wenn man nur die richtigen Leute kannte. Zwei Wochen nach Beginn meines Praktikums saß ich aufgeregt im Büro des Redaktionsleiters und fragte, was ich tun müsste, um Redakteurin zu werden. „Dafür brauchen Sie einen Studienabschluss und ein Volontariat“, raunzte der Chef, mit dem ich mittlerweile schon lange per Du bin. „Aber machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen. Das schaffen nur die Wenigsten!“ Einen Tipp konnte er mir auch nicht geben, nur diesen:

„Bleiben Sie im Gespräch. Sonst vergessen die Leute Sie ganz schnell wieder.“

Nachdenklich ging ich zurück an die Uni. Ich wusste, dass ich ebenfalls ein Superstar werden wollte. Wenig später stand ich wieder in der Redaktion und bot mich als freie Mitarbeiterin an. Immer häufiger war ich nun am Wochenende und später auch unter der Woche auf Presseterminen unterwegs. Ich führte Interviews mit Lokalpolitikern, besuchte die Proben von Laientheatergruppen kurz vor der Premiere und war tatsächlich auch mehr als einmal bei der sprichwörtlichen Hasenzüchterausstellung. Ich war unglaublich glücklich. Ich konnte selbst entscheiden, wann ich wie viel arbeiten wollte, ich liebte den intensiven Kontakt mit den Menschen dort draußen und das Schreiben ging mir schnell von der Hand. Die Arbeit beim Höchster Kreisblatt finanzierte mir mein gesamtes Studium, eine kleine Wohnung, mein Auto und jede Menge Reisen. Ein Jahr, bevor ich plante, mein Studium abzuschließen, bewarb ich mich bei der Frankfurter Neuen Presse, zu der auch das Höchster Kreisblatt gehört, auf mein heiß ersehntes Volontariat. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits eine Reporterin mit jahrelanger Erfahrung, die sich im ganzen Haus einen Namen gemacht hatte. Ich kannte so gut wie jeden, war mit allen per Du und lebte gut vom Journalismus. Trotzdem bekam ich nach der Eingangsbestätigung noch einmal die Warnung:

„Verlass dich nicht darauf, dass du das Volontariat bekommst. Es gibt unglaublich viele Bewerber.“

Und ich verließ mich nicht darauf. Ich wurde zum Gespräch eingeladen und war unglaublich aufgeregt. Der Allgemeinwissenstest war skurril schwer und ging über 20 Seiten. Als ich schließlich die Zusage bekam, war ich so irritiert, dass ich mich beim Volontärsvater am Telefon kaum ordentlich bedanken konnte. Ich hatte es geschafft. Ich würde Redakteurin werden.

Brüssel
2012: Journalistenreise nach Brüssel auf Einladung der Europäischen Kommission.

Als ich nach der Uni-Verabschiedung beim Büffet im vierten Stock mit ein paar Kommilitonen zusammen stand, kam natürlich auch das Thema Zukunft auf. „Irgendwas mit Schreiben“ wollten einige machen, „irgendwie in die Medien kommen.“ Ich war erstaunt, dass sie sich bisher nicht darum gekümmert hatten. Und wunderte mich, warum Menschen, die ihr ganzes Studium hindurch so organisiert gewesen waren, die so gut recherchieren und planen konnten, ihre Zukunft offenbar völlig aus den Augen gelassen hatten. Bei vielen entstand nach der Uni deshalb eine Art Leerlauf, eine Orientierungsphase, die oft mit der schmerzhaften Erkenntnis einherging, dass die Medienwelt leider auf keinen von uns gewartet hat.

Newsdesk
2014: Am Newsdesk der Frankfurter Neuen Presse mit Kollegen.

Deshalb hier ein wichtiger Tipp, den mir damals niemand so deutlich gegeben hat: Wenn ihr in die Medien wollt, fangt jetzt damit an. Macht Praktika, arbeitet als Freiberufler, zeigt, dass ihr bereit seid, alles zu tun, was notwendig dafür ist. Wartet nicht, bis Ihr Euern Abschluss habt, denn dann ist es viel zu spät. Schon jetzt gibt es Wartelisten für Volontariate, weil in jedem Medienhaus in Deutschland engagierte junge Leute um ihre Chance kämpfen. Wer in einem Verlagshaus noch völlig unbekannt ist, wird es kaum schaffen, sich gegen diese starken Mitbewerber durchzusetzen. Jedes Jahr kommen tausende Bewerbungen an, und immer schmunzeln die zuständigen Stellen über die, die sich so große Hoffnungen machen und doch laut Lebenslauf mit Ende 20 bisher nicht gezeigt haben, dass sie zäh genug sind, um im Journalismus zu überleben. Für das A Journal zu schreiben ist ein guter Anfang, aber das langt bei weitem nicht.

Mittlerweile bin ich seit zwei Jahren fertige Redakteurin und arbeite mehr, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Der Job ist hart, die Branche ist hart. So hart, dass sich schnell die Spreu vom Weizen trennt. Rückschläge, Herausforderungen, die unbezwingbar scheinen, und auch Demütigungen sind häufig. Und auch strukturell ist es schwer. Es gibt in der Branche so gut wie keine Festanstellungen mehr, stattdessen Pauschalistenverträge, die eine Freiberuflichkeit voraussetzen. Wer trotzdem mitmacht, muss extrem flexibel sein und auf vieles verzichten, nicht zuletzt auf soziale Sicherheit, Lohnfortzahlung bei Krankheit und Urlaubstage. Das alles ist in der Branche kein Geheimnis. Doch wer sich dafür entscheidet, macht einen Job, der ausfüllend vielseitig ist und viel Beachtung einbringt. Wer sich dafür entscheidet, der wacht morgens mit einem breiten Grinsen auf und geht nachmittags mit den großen Hunden pinkeln. Und das ist verdammt cool.

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