Gestern haben wir in der Redaktion über Luftschutzbunker gesprochen, und dabei ist mir eingefallen, dass ich vor ein paar Jahren mal fürs Kreisblatt in einem ganz gruseligen Bunker in Frankfurt-Höchst war. Für mich wäre es eine Horrorvorstellung, dort für Stunden, Tage oder womöglich noch länger gefangen zu sein. Den Text möchte ich Euch heute zeigen. Wer den Bunker sehen möchte, findet hier Fotos aus der dunklen, dunstigen Tiefe.
Erschienen im Höchster Kreisblatt am 21. April 2011
Geisterbunker am Bahnhof
Theoretisch könnte der öffentliche Schutzraum noch immer als Zufluchtsort genutzt werden: Seit 1942 gibt es neben dem Höchster Bahnhof einen Hochbunker, der im Notfall 1500 Menschen Schutz bietet. Wie es mit dem sechsgeschossigen Gebäude weitergeht, steht derzeit nicht fest.
Höchst. Es riecht dunstig hier unten, nach Erde, Wasser, nach Kälte. Entlang der Wände stapeln sich die braunen Kisten, in der Mitte des Raumes stehen hunderte Rollen Klopapier. Die blau-orangefarben bedruckte Verpackung ist das Relikt einer anderen Zeit, die Firma Sanilas, deren geschwungener Schriftzug quer über jeder Rolle zu lesen ist, produziert schon lang nicht mehr. Klopapier hat kein Verfallsdatum, sagt Detlef Dudat vom Brandschutz-, Katastrophenschutz- und Rettungsdienstzentrum (BKRZ).
Schutz vor Bomben
Der Hochbunker neben dem Höchster Bahnhof hat eine lange Geschichte. 1941 und 1942 gebaut, bot er damals gut 1500 Menschen Schutz vor Bombenangriffen. Auch heute ist er noch in der Zivilschutzbindung und könnte theoretisch im Falle eines Bombenangriffs oder Chemieunfalls genutzt werden. Als Nato-Bunker, so heißt es, sei er außerdem atomsicher. Eine Tatsache, die gerade vor dem Hintergrund von Fukushima sehr befremdlich wirkt.
Das BKRZ verwaltet das stillgelegte Gebäude. Mitte, Ende der 90er Jahre, als der Kalte Krieg vorbei war, hat man den Bunker aufgegeben, erklärt Dudat. Seit 1973 ist die BKRZ zuständig, und in den ersten 20 Jahren wartete man die Anlagen noch regelmäßig. Mittlerweile ist der Bunker dem Verfall anheim gegeben. Das Brandschutzzentrum hat lediglich noch eine Verkehrssicherheitspflicht, muss also sicherstellen, dass es keine Gefahren im Außenbereich gibt.
Unterirdisches Labyrinth
Neben dem Park-Café am Rand der Bruno-Asch-Anlage ist der gut gesicherte Eingang, hier geht es hinab in die Tiefe. Uralte Spinnweben hängen von den Decken, es riecht modrig. Wer früher im Bunker Schutz suchte, betrat das Labyrinth im Innern zunächst durch eine Schleuse. Auf diese Weise konnte sichergestellt werden, dass nie mehr als 30, 40 Leute gleichzeitig in den Bunker kommen, erklärt Gebäudeverwalter Dudat. Im Eingangsbereich gibt es Wasseranschlüsse, um Kontaminierte abzuspritzen; auch in den medizinischen Untersuchungsräumen sind Duschen. Viele hundert Trainingsanzüge liegen, von Mäusen angefressen, noch in einer Ecke, sie waren als Ersatzkleidung gedacht. Der Bunker hat sechs Etagen, und wären da nicht die Schilder an den Wänden, man würde völlig die Orientierung verlieren. Tageslicht, Fenster, irgendetwas, das an Normalität erinnert, gibt es hier nicht. Große Ventile ragen aus den Wänden, mit ihnen hätte im Notfall der Gasabzug geregelt werden können. Etwa 1000 hochklappbare Stühle mit Holzsitzfläche reihen sich aneinander, in Sitzräumen, im Flur. Die zugehörigen Nackenstützen aus Schaumgummi sind nach all den Jahren porös, schmutzig und vergilbt. Zum Schlafen stehen hunderte simple Pritschen aus gespannter Kunstfaser bereit, schmal und hart. 1500 sind es jedoch nicht. Geschlafen wird in Schichten, erläutert Dudat.
Eigentümer des Bunkers ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn. Die Zivilschutzbindung auf den Bunker in Höchst besteht seit 1975, teilt BBK-Sprecherin Elena Weber mit. Seitdem liege die Zuständigkeit beim BBK. Über die zukünftige Nutzung könne noch keine Aussagen getroffen werden. aze