Heute morgen geht es durch alle Medien: Hellmuth Karasek ist tot. Der wunderbare, verschmitzte, freche, doppel-L-Karasek, der so laut und unvergesslich lachte wie Goofy und dem sein Leben viel Spaß machte. 2008 hatte ich die große Freude, ihn zu treffen: Ich war fürs Höchster Kreisblatt bei einer Lesung Karaseks in Eppstein.
Sein Freund Marcel Reich-Ranicki, damals noch quicklebendig und wie so oft übellaunig, hatte wenige Tage zuvor den Deutschen Fernsehpreis verweigert, Kulturdeutschland überschlug sich vor Empörung – ein riesiger Skandal, der Karasek köstlich amüsierte.
Gut eine halbe Stunde lang saßen der Literaturkritiker und ich in einem kleinen Kabuff im alten Eppsteiner Bürgerhaus, es roch nach Staub und er hatte es überhaupt nicht eilig, zurück auf die Bühne zu kommen. Auch seine Frau war bei dem Gespräch dabei, und ich erinnere mich noch heute, dass ich die beiden am Ende am liebsten gefragt hätte, ob wir nach seinem Programm nicht noch etwas trinken gehen wollten. Hätte ich das mal gemacht. :) Sein Zwinkern wird fehlen.
Comedy im literarischen Sinn (Höchster Kreisblatt vom 27. Oktober 2008): Hellmuth Karasek las und verriet, was er vom Eklat um den Deutschen Fernsehpreis hält
Von Anne Zegelman
Eppstein. Sie sind per Du, und Hellmut Karasek nennt seinen Freund Reich. Eigentlich ist der bekannte Hamburger Literaturkritiker und Autor nach Eppstein gekommen, um aus seinem neuen Buch „Vom Küssen der Kröten“ vorzulesen. Doch nach den jüngsten Ereignissen um Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki beginnt Karasek seine Lesung mit einer Stellungnahme, die seinen Freund betrifft. „Sogar, wenn ich im Zug sitze, werde ich angesprochen und gefragt, was ich zu den Ereignissen rund um den Deutschen Fernsehpreis sage“, erklärt Hellmuth Karasek im Gespräch mit dem Höchster Kreisblatt. Deshalb hat er entschieden: „Das beschäftigt die Leute, das ist ein Thema.“
Und was der 74-Jährige dazu zu sagen hat, interessiert die etwa 100 Zuhörer im Rathaussaal in Vockenhausen brennend. Da gerät der eigentliche Zweck der Leseland-Lesereise, in deren Verlauf er gestern Vormittag in Eppstein Station machte, fast in den Hintergrund. Für Reich-Ranickis Reaktion, das wird schnell deutlich, hat Karasek Verständnis. „So eine Preisverleihung ist vor allem dann sehr langweilig, wenn man selbst keinen Preis bekommt“, feixt er. „Sie müssen sich das so vorstellen: Reich ist 88, der Stuhl wird von Minute zu Minute immer härter. Reich raunt dem ZDF-Intendanten Markus Schächter, der neben ihm sitzt, zu: ,Wie lange dauert es noch?“.
Karasek kann den Akzent seines Freundes herrlich nachahmen, dementsprechend belustigt sind die Zuhörer. Schächter habe daraufhin die überraschende Verleihung des Preises für das Lebenswerk vorziehen lassen. Mit einer derartigen Reaktion Ranickis, der den Preis ja bekanntlich verweigerte, hätte er aber wohl nicht gerechnet. Moderator Thomas Gottschalk, so Karaseks Meinung, habe souverän reagiert. Leider sei die darauffolgende kritische Sendung, die sich mit der Qualität des deutschen Fernsehens beschäftigte, aufgrund mangelnder Selbsterfahrung, Gottschalk lebt in Amerika, Ranicki sieht laut seinem Freund höchstens einmal kulturelle Reportagen auf Arte, nicht wirklich gehaltvoll gewesen.
Schließlich kommt Hellmuth Karasek dann aber doch noch zum Lesen. Und die Glossen, aus denen sein im Februar bei Hoffmann und Campe erschienenes Buch besteht, haben es in sich. Charmant und ziemlich bissig schreibt er über Elke Heidenreich und ihren Feldzug gegen das deutsche Fernsehen, krötenähnliche Bundestagswahlen und nicht ganz echte Frösche, die nach Zugabe von Wasser zum Prinz werden.
„Einen solchen hat mir eine Besucherin einmal geschenkt, und ich habe das gleich nachts im Bad meines Hotelzimmers ausprobiert“, berichtet Karasek seinen Zuhörern. „Als ich das meiner Frau erzählte, beschloss sie sofort, unserer Tochter genau solch einen Frosch zu Weihnachten zu schenken.“ Der bekennende Woody-Allen-Fan bringt die Gäste seiner Eppsteiner Lesung derart zum Lachen, dass manch einer sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischt. Das ist Comedy im literarischen Sinne, auch wenn Karasek sich selbst ungern mit den heutigen Comedians vergleicht. „Das Olympiastadion zu füllen, überlasse ich lieber anderen“, sagt er im Gespräch mit einem Augenzwinkern.