Der Deutsche Journalisten Verband hat in seinem heute verschickten Newsletter auf ein vor drei Tagen neu auf YouTube hochgeladenes Video hingewiesen. Das rund 37-minütige Tondokument „Arm trotz Arbeit und Ausbildung“ basiert auf dem Buch „Die Lastenträger“, herausgegeben von Günter Wallraff (Verlag Kiepenheuer & Witsch). Es ist zwar von der Aufnahmequalität eher bescheiden, doch es berichtet schonungslos ehrlich und ohne idealistische Schönmalerei vom finanziellen Elend freier Journalisten. Ich höre es mir mit Bauchschmerzen an, weil es mich an meine eigenen Jahre als Freie erinnert, in denen ich immer das Gefühl hatte, ohne Sicherung über ein dünnes Seil zu balancieren. Existenzsorgen sind so geläufig, dass man sie schon gar nicht mehr bewusst wahrnimmt, weil der persönliche Konkurs an jedem einzelnen Tag im Hintergrund lauert. Aber sie nagen – unaufhörlich. Und machen dich fertig. Wirst du krank, bist du weg. Machst du mal ein paar Tage frei, bricht dein auf harte Kante genähtes Finanzkonzept zusammen und du kannst deine Miete nicht mehr zahlen – denn während du an deinen freien Tagen nicht bezahlt wirst, laufen Künstlersozialkasse und andere Ausgaben weiter. Die freien Tage – bei mir war es pro Jahr genau eine Woche – hindurch sitzt du da und machst dir Gedanken darüber, dass du dir diese freie Zeit eigentlich gar nicht leisten kannst. Und gnade dir Gott, wenn du tatsächlich das Rentenalter erreichst. Denn dann rächt es sich, dass du niemals genug Geld verdient hast, um eine Altersvorsorge abzuschließen.
Alles, was dort gesagt wird, ist wahr. Deshalb ist dieses Video ein Must-watch für alle, die in den Medien arbeiten. Auch für Festangestellte, denn die zucken immer nur mit den Schultern und sagen mitleidig „Was sollste machen“, wenn ein freier Kollege ihnen von seinen Lebensumständen erzählt. Das ist falsch. Die Ungerechtigkeit muss erkannt werden, wenigstens erkannt, wenn schon nicht aufgehoben.
Ich mochte vieles an meiner Freiberuflichkeit. Und vielleicht muss jeder selbst an den Punkt kommen, an dem er entscheidet, dass genug genug ist. Aber rückblickend muss ich sagen: Bei allem Spaß an meinem Traumjob habe ich mich fertig machen lassen. Ich wurde ausgebeutet und habe das in dem Moment nicht mal so empfunden. Ich hatte diese Entscheidung ja selbst getroffen, denn anders als auf Pauschalbasis kann man bei Tageszeitungen heute kaum noch arbeiten. Also geht man diesen Pakt mit dem Teufel eben ein, was soll’s.
Doch die Rechnung kann nicht aufgehen. Der DJV empfiehlt, was den Tagessatz betrifft, gut das Dreifache von dem, was Redaktionen bezahlen – damit man überhaupt davon leben kann. Mit den üblichen Tagessätzen ist also nur ein Drittel Leben möglich. Und genauso fühlt sich das auch an. In den allermeisten Monaten wusste ich nicht, wovon ich mein Auto tanken soll, um zum Pressetermin zu kommen, während Verlage auf Kosten der Gesundheit ihrer freien Mitarbeiter ihr Geschäft machen. Jede feste Stelle, die durch Rente oder sonstwie frei wird, wird sofort wegrationalisiert. Warum auch nicht, es gibt ja überall Leute, die es für die Hälfte machen. Ich bin so wütend, wenn ich darüber nachdenke, wie mit gut ausgebildeten, topmotivierten und hart arbeitenden Menschen umgegangen wird.
Wir müssen aufhören, für ein paar Kupfermünzen den Tanzbär zu machen. Aber das geht nur kollektiv.
Lasst uns damit anfangen, diesen Beruf nicht mehr länger zu glorifizieren. Redaktionsarbeit ist hart, anstrengend und geht oft bis spätabends. Sie macht ein soziales Leben unmöglich – Sportkurse, feste Verabredungen, das alles ist kaum einzuhalten, weil die Arbeit einfach ausufert. Wir müssen zurückkehren zu einem weniger emotional geprägten Berufsbild. Denn momentan führen wir uns auf wie frisch verliebte Teenager.
Schreibmaschinenbild: peshkov / fotolia.com (#87846140)
Wenn ich den Spiegel lese, habe ich immer Angst, im Wortsumpf zu verrecken. Also überfliege ich die Headlines und wage mich höchstens bis an den Aufmacher heran. Dann bleibe ich stehen. – Das gilt für alle Zeitungen.
Müßte ich vom Journalismus leben, würde ich als zweites Standbein ein Ghost-Writer sein. Das bildet, und wenn die Doktor-Arbeit auffliegt, weil sich der Klient dusselig anstellt, hätte ich mein Coming Out und würde Eigenwerbung betreiben.
Man sollte nur drauf achten, das Internet zu meiden für die Recherche. Besser sind Rumpelkammern und Antiquariate.
Nein. Nicht kollektiv. In diesem System findet man die Lücke am besten alleine. Dann muß man schweigen. Im Schweigen wohnt der Nimbus.
Skandale machen einen auch berühmt. Die Hitler-Tagebücher sind heute ein Schatz. Die Bilder von Konrad Kujau können im Wert nur steigen.
Er war ein exzellenter Maler. „Wollen Sie eine Kopie oder einen neuen Van Gogh?“
Ein lohnendes Feld ist sicher die Handy-, Computer- und Netzkritik. Es gibt keine kritische Website, die das Internet abschaffen will.
Kravatten verkauft man dort, wo es keine Kravatten gibt und nicht da, wo jeder eine trägt.
Und übrigens: je mehr sich die Leute aufregen, um so mehr kommen angerannt.