
Es gibt ein paar Orte, an die ich seit meiner Kindheit immer wieder zurückkehre. Sie sind wie alte Freunde, die ich gerne besuche. Camden in London gehört dazu, Rothenburg ob der Tauber – und der Edersee. Es gibt nichts Friedlicheres, als von der Staumauer oder der Burg Waldeck auf das glitzernde Wasser zu schauen, die Segelboote zu beobachten und sich vorzustellen, was unter der Oberfläche liegt.
Dabei war es dort nicht immer so friedlich. Die Geschichte des Edersees ist morbide, geprägt von Gegensätzen und vielleicht gerade deshalb so faszinierend. Alles beginnt Anfang des 20. Jahrhunderts: Weil die Weser und der Mittellandkanal im Sommer oft zu wenig Wasser führen, entscheiden die Verantwortlichen, im Edertaal einen Stausee als Wasserspeicher anzulegen und dafür die drei Dörfer Asel, Berich und Bringhausen zu fluten. Die 600 Einwohner sind entsetzt ob der Aussicht, ihr Zuhause zu verlieren. Doch die Entscheidung ist gefallen, alle Proteste bleiben erfolglos. Wer nicht gehen will, wird gewaltsam vertrieben und umgesiedelt.
Als ich am Abend den Festplatz verließ, war noch ein frohes Treiben dort. Es beschleicht einen ein eigentümliches Gefühl, wenn man von einer Anhöhe herab auf das friedliche Dorf blickt und sich sagt, das muss verschwinden. Ein hartes, bitteres Muss.
Pfarrer Brand, zitiert im Artikel „Region Edersee in Hessen bietet hollywoodreife Geschichte“ (Der Westen) von 2014
1914 wird die Edertalsperre nach achtjähriger Bauzeit in Betrieb genommen. Die Dörfer versinken in den Fluten – und mit ihnen Häuser, Brücken, Kirchtürme, Friedhöfe und viele Erinnerungen.
Bei Niedrigwasser sind Überreste der Dörfer noch heute zu sehen. Kein Wunder, dass oft vom Edersee-Atlantis die Rede ist. Und die Geschichte des Edersees bleibt auch weiter geprägt von Gewalt und Tod: Im Mai 1943 bombardieren britische Langstreckenbomber die Staumauer. Als sie bricht, walzt das Wasser durch das darunterliegende Tal, 68 Menschen sterben.
Die Talsperre wird wieder aufgebaut – und mittlerweile erinnert kaum noch etwas an die dramatische Vergangenheit. Segelboote gleiten auf dem Wasser dahin, große Ausflugsschiffe drehen ihre Runden, des gibt Hotels, Campingplätze, Restaurants. Doch ich kann dort nie sein, ohne an all das zu denken, was verloren gehen musste, um diesen schönen Ort zu schaffen.
Ich habe fünf Tipps für Euch, wenn Ihr einen Besuch am Edersee plant.
Sperrmauer-Museum: Eine harte Dosis Spannung
Wer in die Geschichte eintauchen möchte, dem empfehle ich einen Besuch im Sperrmauer-Museum. Der Bombenangriff auf die Staumauer steht dort im Vordergrund, aber es gibt auch viele Informationen über den Bau der Talsperre und die Vertreibung der Menschen. Das Museum selbst ist ein niedriger Bau, der mit großen Schildern und einer ziemlich chaotischen Webseite für einen Besuch wirbt, aber es ist vollgestopft mit spannenden Bildern, Berichten und intensivem Filmmaterial. Die Öffnungszeiten sind mir ein absolutes Rätsel – ich weiß nicht, wie oft ich dort vor verschlossener Tür stand, bis das Museum endlich mal geöffnet war. Deshalb empfehle ich jedem, der einen Besuch plant, über die Webseite www.dambusters.de Kontakt zum Betreiber aufzunehmen und zu checken, wie an dem Tag geöffnet ist.
Wasserstand: Ein gänzlich anderes Erlebnis
Auch wenn der Edersee heute bei Touristen beliebt ist, dient er doch vor allem dazu, den darunterliegenden Fluss in den trockenen Monaten mit Wasser zu versorgen. Deshalb nimmt der Wasserpegel im Sommer ab, bis er im Herbst seinen Tiefstand erreicht. Als Faustregel gilt: Vollstau ist zwischen März und Juli mit einer Wassertiefe bis zu 42 Metern, danach wird der See stetig leerer. Die Überreste der Dörfer zu sehen ist natürlich spannend, aber ein gänzlich anderes Erlebnis, als einen gut gefüllten See vorzufinden, auf dem Schiffe fahren. Online gibt es mehrere Seiten, die über den aktuellen Wasserstand informieren, zum Beispiel http://wasserstand.edersee.de und www.edersee.com/de/erleben/edersee-atlantis. Aktuell ist der See schon zu mehr als der Hälfte abgelassen, der heutige Wasserstand beträgt 233 Meter über NN. Bei 231 Metern sind alle Dorfreste zu sehen.
Ausblick von Schloss Waldeck: Mein Highlight
Egal, ob der Edersee randvoll oder leer ist – der Ausblick von Burg Waldeck ist einfach atemberaubend und gehört für mich zu jedem Ederseebesuch dazu. Vom Parkplatz aus geht es steil nach oben zum Schloss, doch der Aufstieg lohnt sich immer: Das Tal liegt dem Betrachter zu Füßen, alles wirkt klein und friedlich von dort oben. Für mich ist das ein absoluter Happy Place, an den ich mich oft träume, wenn es mir nicht so gut geht.

Der Besuch des Aussichtspunkts ist kostenlos, nur das Burgmuseum kostet Eintritt. Danach gibt’s noch eine Erfrischung im Café Altane, das sowohl von drinnen als auch auf der Sonnenterrasse den wunderschönen Ausblick auf den See bietet. Wer es sich leisten kann, kann auch im Hotel Schloss Waldeck übernachten und von den Zimmern aus auf den See blicken – doch das hat natürlich einen stolzen Preis. Übrigens, vom See bis hoch zum Schloss zu laufen würde ich nur den Allerhärtesten empfehlen, denn es ist nicht nur weit, sondern auch echt steil. Wer nicht mit dem Auto unterwegs ist, nimmt für 2,90 Euro die Waldecker Bergbahn, mit der auch Fahrräder transportiert werden können. Sie kommt direkt an der Burg an, außerdem gibt es im Ort Waldeck zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants (unten am See ist die Auswahl eher übersichtlich).
Ein Parkticket für alles
Und noch ein Tipp für alle, die mit dem Auto kommen: Entlang des Sees gibt es Parkplätze mit Parkschein. Ein Tagesticket kostet drei Euro, dafür kann man das Auto an diesem Tag im ganzen Seegebiet beliebig oft umparken und das Ticket einfach weiterbenutzen (gilt auch auf der Burg).
An- und Abfahrt: Gute Nerven sind alles
Wer mit dem Auto zum Edersee fährt, braucht gute Nerven. Von der Autobahn geht es noch etwa eine Stunde durch gottverlassene Dörfchen, die die witzigsten Namen tragen. Zum Teil über ausgebaute Straßen, zum Teil auch richtig durch die Botnik, wie Björn sagen würde. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren: Wenn man schon glaubt, das Navi hätte einen furchtbar in die Irre geführt, ist man fast da. ;) Also durchhalten, es lohnt sich.