
Gestern war ich mit zwei guten Freundinnen Vintage-Shoppen – in einem großen Flohmarktladen. Natürlich haben wir die lustigsten Sachen anprobiert, jeden Schuh und jeden Hut, haben dabei lebhaft diskutiert und kuriose Schätze entdeckt.
Unter anderem habe ich einen ziemlich abgefahrenen Mantel aus bunt geflecktem Kunstpelz anprobiert, der für mich einfach perfekt geschnitten war. Ich fand ihn irgendwie schön, allerdings viel zu farbenfroh und auffällig. Für mich ein klassischer Fall von: „Kommt drauf an, was er kostet.“ Er sollte 45 Euro kosten – zu teuer für einen verrückten Mantel, den ich nur aus einer Laune heraus gekauft hätte. Ich hängte ihn also zurück.
Meine Freundinnen wunderten sich, dass ich den Preis in meine Überlegung miteinbezog. „Wenn er dir für 45 Euro nicht so gut gefällt, dass du ihn kaufen möchtest, würdest du ihn doch für zehn Euro auch nur daheim in den Schrank hängen und nie tragen“, meinte meine eine Freundin – und startete damit eine Diskussion, die uns noch viele Regale weiter begleitete.
Kann, sollte und darf der Preis ausschlaggebend dafür sein, wie gut uns ein Teil gefällt?
Meine Freundinnen meinen: Niemals. Was uns wirklich gut gefällt, kaufen wir auch für 45 Euro – oder für 100 Euro (vorausgesetzt, wir können es uns leisten). Ich finde es witzig, dass sie so entschlossen argumentiert haben. Denn ich schaue in der Regel sogar erst nach dem Preis, bevor ich ein Teil richtig begutachte. Kostet es mehr als das, was ich bereit bin, auszugeben, schaue ich es mir gar nicht erst näher an. Es sei denn, es ist das Teil meines Lebens und ich würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um es zu bekommen. Deshalb gehe ich nicht in teure Boutiquen. Und deshalb besichtige ich keine Immobilie, die ich mir eh nicht leisten kann.
Aber dann, einige Regale weiter, habe ich etwas verstanden: Wahrscheinlich ist unsere Haltung in dieser Frage gar nicht so gegensätzlich, wie sie scheint. Der Preis des Mantels war für mich ein Grund, ihn nicht zu kaufen. Hätte er mir supergut gefallen, hätte ich die 45 Euro ausgegeben und mich gefreut, dass ich einen Mantel, den ich immer und jahrelang tragen werde, für einen so günstigen Preis bekommen habe. Ob etwas günstig oder teuer ist, ist eine Frage der Bewertung.

Meine Freundinnen haben recht: Wäre er günstiger gewesen, hätte das die Mängel, die er in meinen Augen hatte, nicht ausgeglichen. Zehn Euro hätte ich dafür ausgegeben, vielleicht auch 20. Dann hätte ich ihn mitgenommen und mir daheim überlegt, ob ich mich traue, ihn wirklich anzuziehen. Mit anderen Worten: Ich hätte ihm für 10 oder 20 Euro eine Chance gegeben, sich im Alltag zu bewähren. Doch es ist wahr: Wahrscheinlich wäre er nach einmal tragen zum Schrankhüter geworden. Denn er wäre mir auch dann noch zu bunt gewesen, wenn ihn mir jemand geschenkt hätte.
Das hat mich nachdenklich gemacht, denn ich gehe so durchs Leben.
Ich strebe schon nach dem, was ich wirklich möchte, aber unterwegs sammele ich auch viele Dinge ein, die höchstens ein Kompromiss für mich sind. Von denen ich denke: Ich probier’s halt mal, wenn nicht, verkaufe ich es, tausche es um, verschenke es, spende es oder werfe es halt weg. Das kostet viel Geld, und es macht viel Arbeit.
Und es ist das Gegenteil von Minimalismus. Das Gegenteil von Enoughism, der ja eigentlich einer meiner Neujahrsvorsätze war. Ich gebe zu, das ist mir nicht so gut gelungen. Deshalb möchte ich mich nun wieder bewusst daran erinnern, dass ich genug von allem habe, mehr, als ich brauche. Und dass ich deshalb keinen bunt gefleckten Mantel kaufen muss, der mir keine 45 Euro wert ist.
Es ist nämlich im Grunde eine Frage des Wertes. Auch des Selbstwertes. Ich kaufe zum Beispiel gerne Bio-Gemüse, wenn ich es mir in dem Moment leisten kann. Und bei qualitativ hohen Taschen habe ich eine sehr hohe Schmerzgrenze. Aber bei Klamotten offenbar nicht, da ist mir ein Second-Hand-Shirt für 10 Euro zu teuer. Und ich frage mich, was das über mein Verhältnis zu meinem Körper aussagt.