Lyrik: Wie ein Baum

Für Opa

Er war
Ein Mann wie ein Baum, sagt man
Und meint damit die breiten Schultern oder den
Hohen Wuchs. Dabei kann doch auch ein dünner, kleiner
Mann mit großen Ohren sein wie ein

Baum. Weil andere sich in seinem Schatten
Ausruhen und wohlfühlen, weil sie die gute Luft
Atmen und sein Grün ihre Augen beruhigt. Weil er
oben fröhlich und voller Neugier aufs Leben in den

Himmel wächst, während
Seine Wurzeln sich unten tief in die Erde graben und ihn
Halten. Weil seine Kinder und Enkel und Urenkel in seinen
Ästen sitzen wie kleine Vögel und vor Freude über diesen
Schönen Platz, den sie für ihr

Leben gefunden haben,
zwitschern und singen. Und Freunde klettern an
seinem Stamm hinauf wie rostrote Eichhörnchen und
springen von Ast zu Ast, als ob sie fliegen
könnten. Ein Mann wie ein Baum, der fast alles
hörte, fast alles

Wusste und doch nie verriet. Der Fortsetzungsromane von
Nele Neuhaus aus der Zeitung ausschnitt und sammelte, der
Wochen brauchte, um eine angebrochene Flasche Bier zu
Leeren, der

Musik liebte und verstand.
Ein Mann wie ein Baum. Oder doch
Ein Baum wie ein Mann.

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