
Spürt Ihr das auch? Der Herbst ist da. Die Luft wird plötzlich kalt und riecht nach Erde, die Pullover werden aus dem Schrank geholt, zum ersten Mal kuschelt man sich abends zusammen auf der Couch wieder unter die Wolldecke. Ich liebe diesen Moment, diesen plötzlichen Herbst-Anfang, so sehr, dass ich mich den ganzen Sommer hindurch darauf freue. Der Herbst bringt die Ernsthaftigkeit zurück, so wie früher in der Schule. Die überdrehten, heißen Tage sind vorbei, wir konzentrieren uns jetzt wieder auf die Arbeit und die Menschen um uns herum. Jetzt möchte ich nicht mehr jeden Abend unterwegs sein wie im Sommer, sondern es zieht mich nach Hause; ich möchte mich zurückziehen, mich daheim einigeln, für mich und uns sein.
Dazu passt es gut, dass nun auch meine Lesetermine so gut wie abgearbeitet sind – und ich keine neuen mehr vereinbaren möchte. Ich habe einmal mehr gemerkt, dass ich es zwar in gewisser Weise genieße, meine Geschichten der Welt zu präsentieren, aber dass es mich auch sehr belastet. Überrascht Euch das? Mag sein, dass das alles von außen toll und trubelig und erfolgreich aussieht. Aber die Innenperspektive fühlt sich anders an. Gerade für einen sehr sensiblen Menschen kann es sehr belastend sein, vor anderen aufzutreten und ein Produkt zu verkaufen. Nicht nur, wohlgemerkt – Lesungen haben auch viele schöne Seiten, es gibt lustige Momente und menschliche Begegnungen, die mir in Erinnerung bleiben. Aber es gibt eben auch viel daran, das mich traurig macht und müde.
Ich bin vor Lesungen unfassbar nervös.
Allein das Zittern, ob überhaupt Menschen kommen, belastet mich sehr. So war es auch diesmal – irgendwer kam zwar immer, immerhin hat der Verlag mich auch mit viel Werbung unterstützt, und zwei Lesungen waren auch richtig gut besucht. Aber ich kann mich davon nicht freimachen, an der Anzahl der Gäste meinen eigenen Wert als Schreiberin festzumachen. Und das ist einfach deprimierend.
Ich fürchte, ich werde nie eine Autorin sein, die Lesungen besonders genießt. Klar ist es schön, wenn ich anhand der Reaktionen höre und spüre, dass das Publikum mitfiebert. Und ja, ich mag besonders den Teil nach der Lesung, wenn die Leute zu mir kommen, um das Buch signieren zu lassen. Manche stellen auch Fragen oder erzählen mir, für wen und warum sie das Buch kaufen. Das sind schöne Momente, echte Begegnungen.
Aber da ist eben auch dieser andere, viel größere Teil. Das Vorne-Stehen. Das Beurteilt-Werden. Das Unterhalten-Müssen, Funktionieren-Müssen, Verkaufen-Wollen. Ich habe in den letzten zwei Wochen innerhalb von nur acht Tagen drei Lesungen gehalten – das geht emotional nicht spurlos an mir vorüber. Ich fühle mich einsam, wenn ich da vorne stehe und alle Augen auf mich gerichtet sind. Zum Glück lässt mir der Verlag freie Hand bei der Planung meiner Lesungen und unterstützt mich, wo es geht, so dass ich frei entscheiden kann, dass es nun vorerst genug ist mit Auftritten.
Vor allem ist da dieses Gefühl, diese erneute Erkenntnis:
Ich möchte nicht allein reden, allein erzählen.
Viel lieber bin ich Teil eines Gesprächs, höre zu, fühle mich umgeben von Freunden, statt vor ihnen zu stehen. Deshalb ist dieser Text auch mit einem Foto von Kuchen und Kakao bebildert. Nach meiner letzten Lesung war ich mit meiner Freundin Johanna noch in der fantastischen Chocolaterie „Bitter&Zart“ genau gegenüber der Lesungslocation in der Braubachstraße. Wir haben uns draußen nebeneinander an einen kleinen Tisch gesetzt, um die vorbeihastenden Leute beobachten zu können, haben wunderbare Kuchen bestellt und dazu den Signature-Kakao, der bitter und dickflüssig ist und den man mit Rosen- und Lavendelzucker, Kardamom und anderen zauberhaften Pulvern würzt. Neben Johanna zu sitzen, mit ihr gemeinsam in die gleiche Richtung zu schauen, das war das perfekte Kontrastprogramm nach einer Lesung.
Ich habe nach jetzigem Stand nur noch eine Lesung aus „Mainstyle“ vor mir, und zwar auf der Frankfurter Buchmesse, am Messesamstag um 15 Uhr am Stand des Societäts Verlags. Anschließend – und überhaupt in den nächsten Monaten – möchte ich mich wieder aufs Schreiben konzentrieren. Denn ich habe einige Ideen und würde gerne schauen, wohin sie mich führen.

Liebe Anne, da kann ich dich so gut verstehen. All das kenne ich auch … sogar nach mittlerweile über 100 Lesungen! Das Lampenfieber vor jeder Lesung bleibt, v.a. die Angst, ob überhaupt jemand kommt. Das kennt jeder Autor. Deshalb lese ich lieber für Kindergärten oder Schulen, wenn man genau weiß, wer und wieviele Zuhörer kommen. Doch ich liebe den Kontakt mit meinen Lesern und den Austausch. Zudem kommt bei mir ja auch noch der pädagogische Aspekt der Leseförderung hinzu. Aber auch ich benötige nun mal wieder eine Leseauszeit.
Was ich dir jedoch noch schreiben möchte: Ich habe die Lesung von dir sehr genossen 😊 Sie war kurzweilig, amüsant und sehr sympathisch vorgetragen.
Alles Liebe für dich und viele weitere kreative Einfälle
Birgit
Wie lieb Birgit, danke! Und danke auch für den Einblick. Das, was gerade vor ein paar Tagen wieder in der Zeitung von deiner Lesung zu sehen war, hat sehr gut ausgesehen. Deine Arbeit hat ja nochmal einen ganz anderen Anspruch als „nur“ zu unterhalten, sie ist gesellschaftlich wichtig. Alles Gute!