#psyche: 40 – eine Lebensbilanz

Ich liebe und fürchte Silvester. An diesem letzten Tag des Jahres habe ich Geburtstag – deshalb ist der Jahreswechsel für mich oft umso emotionaler und auch eine gute Portion stressiger als für andere Menschen. Vor drei Tagen nun bin ich 40 geworden. Und ich möchte Euch davon erzählen, wie das für mich war.

In einem Wort: Überraschend.

An meinem 30. Geburtstag hatte ich eine ziemliche Krise. Damals spürte ich sehr stark, wie schnell die Jahre vergehen, wie schnell so ein Leben vorbeigeht. Ich fühlte mich hilflos, weil ich die Zeit nicht aufhalten konnte. Und ich hatte regelrechte Panikattacken, die auf das Thema Verlust ausgerichtet waren. Entsprechend weinte ich damals, im Dezember 2012, viele Tränen darüber, dass meine Mutter schon Mitte 50, meine Oma schon über 80 und meine anderen Großeltern alle schon gestorben waren – und dass ich, je älter ich würde, immer mehr Verlust würde verkraften müssen.

Schon damals, vor zehn Jahren, dachte ich: Oh je, wenn das der 30. Geburtstag war, wie wird dann erst der 40.. Uns Frauen wird ja früh beigebracht, die 40 zu fürchten. Unter anderem, weil die Schulmedizin sich überlegt hat, dass Frauen jenseits der 40 zu alt seien, um Kinder zu bekommen. Aber auch, weil 40 in unserer auf Jugend fokussierten Gesellschaft nicht als sexy gilt. Diese 30 als magische Grenze zwischen Jung und Alt ist in der Pop-Kultur noch immer deutlich wahrnehmbar. In der Serie „How I met your Mother“ zum Beispiel lacht ein Millionenpublikum darüber, dass Superaufreißer Barney Stinson aus Prinzip keine Frau über 30 abschleppt. Und dass Schauspieler Leonardo DiCaprio, selbst stolze 48 Jahre alt, seine Freundinnen immer dann zu aktualisieren scheint, wenn sie 27 werden, entlockt der Klatschpresse höchstens ein kurzes Schmunzeln. 30 ist offenbar nicht sexy – was ist dann 40?

Im Grunde sind mir solche gesellschaftlichen Klischees völlig wurscht. Was ich an meinem 40. Geburtstag aber fürchtete, war eins: Die Vorstellung nämlich, dass ich an diesem Tag, in der Minute meines 40-Werdens, meiner Entscheidung, kein Kind zu bekommen, Auge in Auge gegenüber stehen würde. Und sie dann vor mir selbst würde vertreten müssen. Was, wenn ich es dann bereuen würde?

Spoiler: Das ist nicht passiert. Ich war umgeben von Freundinnen und Freunden um Mitternacht. Und während sie mich drückten und gratulierten, spürte ich nur eins: Absolute, wunderbare Erleichterung. Natürlich darüber, dass die Krise ausgeblieben ist. Aber vor allem, dass ich so ein großartiges Leben habe, das für mich genau richtig ist und in dem mir rein gar nichts fehlt. Kein Kind, keine Hochzeit. Ich bedauere so gut wie gar nichts – auch nicht am 40. Geburtstag. Und das zu spüren, zu spüren, wie sehr ich im Reinen mit meinen Entscheidungen bin, war und ist einfach ganz, ganz großartig.

Foto: Clay Banks

Rückblickend wird mir bewusst, dass ich meine bisherige Lebenszeit für mich gut genutzt habe. Viele meiner Wünsche habe ich mir schon erfüllt. Ich habe drei Bücher veröffentlicht, ich habe mich tätowieren und piercen lassen, hatte Dreadlocks und Pixie-Cut, war blond und lila und rosa. Ich habe – wenigstens mal eine zeitlang – in England gelebt, bin alleine mit dem Rucksack herumgereist, habe tiefe Einsamkeit erlebt und meinen Dämonen ins Gesicht geblickt. Ich habe festgehalten, wo es ging, und dort losgelassen, wo es nötig war. Ich habe seit vielen Jahren eine glückliche Beziehung, mittlerweile ein sehr gutes Verhältnis zu Gott und mache jeden Tag Yoga.

Und vielleicht kommt dieser runde Geburtstag auch einfach zu einem guten Moment in meinem Leben. Denn ich habe einen Job, der mich zwar oft den letzten Nerv kostet, der mir aber jeden Tag auch unendlich viel zurückgibt. Dort fühle ich mich nach Jahren des beruflichen Suchens endlich angekommen – und das trägt sehr dazu bei, eine weitere Wurzel auszubilden und zu spüren: Hier gehöre ich hin.

Blickt man etwas über den gesellschaftlichen Tellerrand, stellt man fest, dass es viele tolle Frauen gibt, die gegen den Jugendwahn arbeiten. Unter anderem denke ich an die 50-jährige Schauspielerin Gwyneth Paltrow, die auf ihrem wundervollen Blog „Goop“ über Wechseljahre und das Älterwerden schreibt und damit viele Themen aus der Schweigeecke holt. Aber auch an starke popkulturelle Vorbilder wie zum Beispiel die Frauen aus „Sex and the City“. Es kommt mir vor, als sei das eine der ersten Serien, in denen wir Frauenrollen über viele Jahre begleiten konnten. Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda sind über 25 Jahre ikonisch geworden, deshalb können sie eben nicht einfach ausgetauscht werden, nur weil sie über Nacht ein Fältchen mehr neben der Nase bekommen haben. Also sehen wir sie weiter, wir sehen sie alternd, und das ist wunderbar. Ein Zitat, das mir schon länger als Motivation für meine Vierziger im Kopf herumgeistert, stammt aus dem ersten „Sex and the City“-Film. Dort sagt Carrie Bradshaw zu ihrer jungen Assistentin Louise:

Enjoy yourself. That’s what your 20s are for. Your 30s are to learn the lessons. Your 40s are to pay for the drinks.

Und das gefällt mir sehr. So möchte ich, dass meine Vierziger werden, und ich glaube, die Chancen stehen gut. Denn zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben verdiene ich ausreichend viel, um meine Miete zu bezahlen, ein Auto abzustottern und nebenbei noch ein paar Euro zurückzulegen. Und auch wenn ich glaube, dass die Lebenslektionen niemals aufhören, denke ich doch, dass sie irgendwann pointierter werden.

Gerne ab 40. Gerne 40.

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