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#life: Wie wir fast unbemerkt ein Häuschen gekauft haben

So schön bunt soll es in unserem Garten auch bald aussehen. Foto: Erda Estremera

Ich mag nicht lügen, die letzten zwölf Wochen waren anstrengend. Aber nun sind wir in einen neuen Abschnitt dieses Anstrengens eingetreten. Und das bedeutet: Ich möchte hier endlich erzählen, was sich Neues bei uns tut.

Wir. Haben. Uns. Ein. Haus. Gekauft. :)

Das kleinste Haus der Welt mit Sicherheit. Aber ein Haus. Na gut, ein Häuschen. Kleiner als unsere jetzige Mietwohnung, 100 Jahre alt, vor ein paar Jahren liebevoll ökologisch saniert, mit einer Aussicht und einem kleinen Hof und einem kleinen Garten und ganz viel Charakter.

Ich kann nicht glauben, dass es uns gehört. Aber genau so ist es. Gestern haben wir die Schlüssel bekommen, im August ziehen wir ein.

Im Februar habe ich schon einmal über Immobilienkauf geschrieben. Und mich damals darüber gewundert, dass Menschen bereit sind, horrende monatliche Raten in Kauf zu nehmen, um sich Wohneigentum zu kaufen. Deshalb sage ich gleich dazu: Wir gehören nicht zu diesen Menschen. Unser Haus ist so klein, weil wir noch weiter Essen gehen, Freunde einladen und in den Urlaub fahren wollen. Es ist teurer als das, was wir momentan an Miete bezahlen, aber es ist weit entfernt von dem, was andere für ihre Kredite aufbringen müssen. Es hat so viel gekostet wie eine Eigentumswohnung, nur deshalb haben wir es uns überhaupt angeschaut. Kurzum, für uns ist es finanziell gut machbar, es ist wunderschön und passt deshalb perfekt in unser Leben.

Das Häuschen und ich kamen erstmals in Kontakt, als Björn und ich Anfang Februar in Zandvoort waren. Wir hatten eine winzige Ferienwohnung in den Dünen gemietet, ziemlich weit vom Stadtzentrum entfernt, dafür mit Blick in die Weite und in absoluter Stille. Die Wohnung war so klein, dass man mit drei Besenstreichen den Boden kehren konnte und sich dauernd auf den Füßen stand. Und so unglücklich geschnitten, dass man durchs Bad musste, um ins Schlafzimmer zu kommen. Aber die Zeit dort war wundervoll. Ich hatte das Gefühl, wir kommunizierten besser miteinander, waren mehr in Kontakt, hatten mehr voneinander als im Alltag. Eines Morgens schlief Björn noch und ich saß, dick eingepackt, mit meinem Kaffee auf der Terrasse, mit Blick in die Dünen. Und hatte erstmals seit langem wieder das Bedürfnis, Immobilienscout zu öffnen und nach Häusern zu suchen. Wir waren eigentlich längst bei Eigentumswohnungen gelandet, denn Häuser sind in unserer Region so rar und so teuer, dass ich diesen Traum schon lange aufgegeben hatte.

Und da war es plötzlich: Ein winziges, winziges Haus. Ein Drittel kleiner als unsere jetzige Wohnung. Alt. Knarzig. Aber frisch saniert. Und mit fast allem, was wir uns wünschten. In der Natur. In der Stille.

Ich verharrte lange bei der Anzeige. Von den Bildern ging eine Kraft aus, ein Charakter. Es ist schwer zu beschreiben, aber es schien mir, als wolle dieses Haus mich kennenlernen.

What you seek
is also seeking you.

Rumi

Ja, es war sehr klein. Aber hey, kamen wir nicht auch in dieser winzigen Ferienwohnung gut zurecht? War sie nicht leichter sauber zu halten als unsere große Wohnung, fühlten wir uns nicht unbeschwerter ohne den ganzen Krempel, den wir daheim gelassen und deshalb nicht um uns hatten?

Ich schrieb der Maklerin eine kurze Mail. Und nachmittags, als wir gerade durch die Dünen liefen, den kalten Wind im Haar und alle Sorgen weit weg, rief sie mich an.

„Es ist ein kleines Haus“, sagte sie. „Ein sehr spezielles Haus. Mit niedrigen Decken. Etwas für kleine Leute.“ „Wir sind kleine Leute“, sagte ich. Und sie lachte.

Wir vereinbarten einen Besichtigungstermin eineinhalb Wochen später. Die Maklerin erwartete uns auf dem Hof, als wir ankamen, und führte uns durch einen hellen, überdachten Windfang in das winzige Haus.

Ich sage ehrlich, für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Doch ich sah auch zum ersten Mal mit eigenen Augen, wie klein es ist. Ein regelrechtes Tiny House. Und ich ahnte zum ersten Mal, wie viel wir würden hinter uns lassen müssen, um dort wohnen zu können. Balast. Aber auch Dinge, die wir liebten. Konnte ich das?

Ich dachte lange darüber nach, Tage, Wochen. Sich so sehr zu verkleinern, unseren gesamten Besitz zu überdenken, und auch, schon wieder mit dem „Puzzeln“ anzufangen, wo wir doch gefühlt gerade erst in unserer Wohnung angekommen waren – all das ängstigte mich. Aber ich ahnte, dass ein Leben mit weniger Balast auch viel Schönheit bieten würde. Und ich spürte, wahrscheinlich zum ersten Mal in dieser glasklaren Deutlichkeit, dass das der richtige Weg für uns war. Dass wir dort, wenn alles losgelassen und neu durchdacht war, endlich ankommen konnten. Vielleicht für immer.

Björn spürte das nicht so deutlich. Er mochte das Haus, ist aber insgesamt viel weniger spirituell als ich – und sah vor allem nüchtern die Nachteile. Wochenlang redeten wir darüber, diskutierten, stritten. Ich wusste mittlerweile, dass ich das wollte, dass ich diese große Veränderung brauchte, und es frustrierte mich, dass Björn das nicht so klar vor sich sah wie ich.

Merkwürdigerweise hatte ich, anders als sonst nach Wohnungs- und Immobilienbesichtigungen, keinerlei Angst vor der Konkurrenz. Ich spürte so deutlich, dass das unser Häuschen war, dass ich mir keine Sorgen machte, jemand anders könnte uns zuvor kommen. Das gab uns den Mut, uns die Zeit für diese lange Diskussion zu nehmen. Denn ich wollte, dass Björn es fühlte. Wenn es ihm nicht gelang, es zu fühlen, würde ich ihn nicht dazu überreden, das schwor ich mir.

Wir hatten zwei weitere Besichtigungstermine im Häuschen, mit einem Bausachverständigen und engen Freunden meiner Familie, die sich mit Immobilien auskennen, mit meiner Mutter und Björns Vater. Alle fanden das Haus gut. Alle rieten uns unterm Strich dazu, es zu kaufen.

Björn sprach mit mir. Er sprach mit seinen Eltern. Er sprach mit Freunden. Und in einem dieser Gespräche, das wir gemeinsam mit seinem Freund aus Kinderzeiten führten, sagte er: „Ich habe mich ja auch in das Haus verliebt.“ Das zu hören beruhigte mich sehr. Denn jetzt konnten wir über seine konkreten Sorgen sprechen, ohne uns immer wieder über das Grundsätzliche zu streiten, nämlich dass dieses Häuschen ein liebenswertes Häuschen ist.

Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass er bereit war, mir in meiner Sicherheit zu vertrauen.

Wir beschlossen, weiterzudenken. Durch Zufall fand ich einen Finanzierungsberater, bei dem wir uns sofort aufgehoben fühlten – und der in langen Telefonaten fast ein Freund wurde. Er kam zum persönlichen Gespräch zu uns nach Hause und Keoni kletterte sofort auf seinen Schoß. Katzen haben eine gute Menschenkenntnis und es beruhigte uns beide, dass gegen den Mann offenbar aus Katersicht nichts einzuwenden war. Der Finanzberater kümmerte sich um den Antrag bei der Bank, nannte uns erstmals konkrete Summen – und fast unbemerkt glitten wir in Verhandlungen mit den Eigentümern des Hauses.

Und dann geschah es: Wir einigten uns. Auf einen Preis, den wir zahlen wollten. Den wir zahlen konnten. Björns Familie kam ins Bild und bot an, uns zu unterstützen. Von da an war klar: Wir machen es. Wir schaffen es.

Als wir die Eigentümer wenige Wochen später beim Notartermin persönlich kennenlernten, sah die Frau mich lange an und sagte dann: „Das Haus passt zu Ihnen. Das habe ich gleich gespürt. Sie werden dort glücklich werden.“

Gestern haben wir die Schlüssel bekommen. Nachdem wir dort einige Stunden zu zweit verbracht, ausgemessen und geplant haben, fuhren wir heim – und Björn war noch glücklicher als ich, dass wir uns dafür entschieden haben. Ich bin so glücklich, dass er glücklich ist. Dass er sich in diesem Fall darauf verlassen hat, dass ich uns den Weg zeige.

Nun beginnt, fast auf den Tag genau drei Monate nach unserer ersten Begegnung mit dem Häuschen, ein neues Kapitel. Ab jetzt werden Türen lackiert. Löcher zugespachelt. Wände gestrichen. Eine Küche ausgesucht. Es gibt so viel zu tun. Aber wir tun es aus Liebe zu diesem Haus und aus der tiefen Überzeugung heraus, dass das unser Ort in der Welt ist. Und das ist die beste Motivation, die ich mir vorstellen kann.

2 Antworten zu „#life: Wie wir fast unbemerkt ein Häuschen gekauft haben”.

  1. Das klingt ganz wunderbar. Ich wünsche euch viel Glück in euerem neuen Zuhause.

    1. Herzlichen Dank! ❤😊

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Über dezembra

Anne: Frau, über 40, Redakteurin, Buchautorin, kinderlos und verliebt ins Leben, bloggt über Zwischenmenschliches und Psychosoziales, über Frauenthemen und Arbeitsdinge, übers Reisen und das Leben ohne Schilddrüse.

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