#psyche: Schnelle Hilfe bei akutem Stress

Foto: John T

Wir haben zwei junge Kater, die nicht mal ein Jahr alt sind. Gestern Morgen kam ich aus dem Schlafzimmer in ein Schlachtfeld: Die Erde war aus den Topfpflanzen gewühlt und im ganzen Wohnzimmer verteilt, die Osternestchen vom Tisch geworfen und die Ostereier zerbrochen, das Ostergras überall hingetragen – und zum krönenden Abschluss hatte einer der Kater auch noch hinter den Fernseher gekotzt.

Morgens direkt nach dem Aufwachen mit einer solchen Situation konfrontiert zu sein lässt meinen Stresspegel sofort nach oben schießen. Ich habe ja an anderen Stellen schon geschrieben, dass ich ohnehin mit einer Art Dauerstress lebe – und wenn dann so etwas passiert, verliere ich fast den Boden unter den Füßen, weil ich sofort Herzrasen bekomme. Für gesunde Menschen ist das vielleicht höchstens ärgerlich, aber ich glaube, dass viele von uns heimlich an einem viel zu hohen Stresslevel leiden, das einfach nicht mehr sinkt. Gerade Mütter, gerade Leute mit einem sehr fordernden Beruf und natürlich alle, die das Gefühl haben, ausgebrannt zu sein und direkt auf ein Burnout zuzusteuern.

Während ich die Kater wegscheuchte und wegputzte, was sie angerichtet hatten, dachte ich darüber nach, dass der Tag nun eigentlich gelaufen war. Denn von dem hochgeschossenen Stresslevel würde ich mich nicht so schnell erholen. Ein frustrierender Gedanke war das, denn natürlich fühlt sich dieses Stresshormon im Blut alles andere als gut an.

Doch dann fiel es mir wieder ein: Ich bin nicht hilflos. Ich bin nicht neu im Stress-Geschäft. Stattdessen habe ich jahrelange Erfahrung, mich wieder runterzubringen – mit kurzen, schnell umsetzbaren Mechanismen, die wie ein Aderlass wirken. Hier habe ich einige für Euch gesammelt, eigene und fremde, die Euch hoffentlich in akut stressigen Situationen helfen können.

Foto: Johnson Wang

Starke Reize: Eine Zitrone aufschneiden und reinbeißen, ein Löffelchen Wasabi essen oder an ätherischem Öl schnuppern, sich in den Arm zwicken – egal was, Hauptsache, der Körper wird kurz aus seiner Stresshaltung herausgeholt. Zähne putzen mit einer scharfen Zahncreme funktioniert ebenfalls, oder gurgeln mit Essig (igitt!).

Gehirn fordern: Rätsel lösen, Wörter von hinten nach vorne buchstabieren, kurz ein Sudoku zwischendrin. Wenn das Gehirn abgelenkt ist, hat es besseres zu tun, als am Stress zu leiden.

Bewegung: Wie wär’s mit 50 Situps, 20 Liegestützen oder 60 Sekunden Planken? Die Muskeln zu befeuern hilft sofort, Energie abzubauen.

Kurz mal loslassen: In vielen Ratgeber-Artikeln wird geraten, im schlimmsten Stress kurz zu meditieren. Wenn ich allerdings richtig gestresst bin, bin ich so blockiert, dass mir das überhaupt nichts bringt. Viel zu sehr kreisen meine Gedanken um das, was da eben passiert ist. Stattdessen hilft mir progressive Muskelentspannung: Einfach mit geschlossenen Augen hinzusetzen, die Fäuste für einige Sekunden ganz fest ballen und dann loslassen. Geht auch mit den Füßen, einfach die Zehen fest anziehen, halten und wieder loslassen.

Meditation: Wenn der Stress noch nicht übermächtig ist, kann man es mit einer kurzen Meditation versuchen. Augen schließen, tief atmen, versuchen, den Kopf leerzumachen und den Stress loszulassen. Dabei hilft, sich immer und immer wieder einen beruhigenden Satz vorzusagen. Mein Lieblingsmantra ist „Nichts zu tun, nichts zu wollen, nichts zu erreichen“, momentan liebe ich außerdem den Satz „If it comes let it, if it goes let it“. Der macht einem bewusst, dass wir sowieso das wenigste kontrollieren und steuern können.

Nase zuhalten: Einfach nur tief durchzuatmen, langt mir nicht, wenn mein Stresslevel bereits weit oben ist. Stattdessen hilft mir dann ein Handgriff aus dem Yoga, die sogenannte wechselseitige Nasenatmung (auf Englisch: alternate nostril breathing). Wenn man es einmal raus hat, ist das ein echter Helfer in der Not und wird sogar bei Panikattacken eingesetzt. Hier gibt es eine Video-Anleitung auf Deutsch von Mady Morrison, hier eine auf Englisch von Adriene Mishler („Yoga with Adriene“).

Die Sinne durchdeklinieren: Wird in der Angst- und auch in der Wuttherapie gerne verwendet und stammt eigentlich aus der Achtsamkeit. Dafür muss man sich nicht mal hinsetzen, geht auch im Laufen. Einfach mal kurz jeden Sinn ansteuern und sich fragen: Was sehe ich gerade? Höre ich? Rieche ich? Schmecke ich? Taste ich? Wirkt schnell und effektiv.

Summen: Laut Forschern kann es helfen, eine Melodie zu summen, denn die Vibration der Stimmbänder wirkt wie eine innere Massage und senkt sofort den Blutdruck. Tipp gefunden bei „Fit for Fun“.

Hände unter Wasser halten: Die „Fit for Fun“ empfiehlt, warmes Wasser über die Finger laufen zu lassen, um zu entspannen, ich kenne das auch mit eiskaltem Wasser.

All diese Ideen sind nur als akute Hilfe gedacht. Dauerhaft hilft das alles leider gar nichts. Darauf weisen auch alle Stress-Hilfe-Seiten im Internet hin. Wer dauerhaft getresst ist, muss den Ursachen auf den Grund gehen. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es dafür nicht die eine, schnelle Lösung gibt, sondern dass das ein Weg ist, der Jahre dauern kann – und für den man sich jeden Tag neu entscheiden muss.

Arbeit reduzieren, Grenzen setzen, Internet ausschalten – das sind alles gute Tipps (zum Beispiel zu finden in einem Artikel der Stuttgarter Nachrichten langfristigen Stressabbau). Aber all das hilft nur, wenn man es auch stetig anwendet. Das kann, je nach Lebenssituation, die größte Herausforderung sein. Wer merkt, dass es alleine nicht klappt, sollte sich Hilfe suchen. Eine Psychotherapie kann eine große Entlastung sein. Kontakte gibt es über die Arztsuche auf der KV-Webseite Eures jeweiligen Bundeslandes (hier der Link für Hessen).

2 Kommentare

  1. Interessant ist vielleicht noch zu erwähnen, dass bei Bewegung wie einem Spaziergang direkt Stresshormone abgebaut und Glückshormone produziert werden. Dabei ist das Gehirn mehr mit der Koordinierung der Gliedmaßen beschäftigt und hat weniger Ressourcen zum grübeln oder ärgern etwa übrig, weswegen Bewegung/Sport auch wunderbar den Kopf frei machen kann.

    Ich finde auch, eine zielführende Strategie zum langfristigen Stressabbau ist die Frage, ob mensch die Dinge wie exquisiten Urlaub oder das neueste iPhone etwa, was einem ein sehr stressiger Job zum Beispiel ermöglicht, wirklich braucht. Oder ob man von den vielen Produkten und Freizeitbeschäftigungen nicht eigentlich so gut wie gar nichts braucht und damit letztlich auch im Berufsleben weniger mehr ist zum Beispiel. ;)

    1. Ja, auf jeden Fall ist weniger mehr! Und vor allem weniger Ablenkung und weniger Konsum. Vielen Dank für deinen Kommentar. Bestimmt schreibe ich bald auch einen Artikel über langfristige Stressreduzierung, da gehört das auf jeden Fall mit rein!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s