#reisen: Eine wundersame Erfahrung

Foto: Patrick Tomasso

Heute darf ich etwas tun, das ich schon lange nicht mehr getan habe: Ich darf übers Reisen schreiben. Über eine Woche Kreta nämlich, eine wundervolle, dringend benötigte Woche voller neuer Eindrücke, Sonne, Meeresrauschen, Sand zwischen den Zehen, Ruhe, Leben. In diesem Artikel erzähle ich Euch zunächst, wie sich das mit dem Buchen und Fliegen nach zwei Jahren zwangsverordneter Ruhe angefühlt hat. In einem zweiten Artikel findet Ihr meine Tipps und Geschichten für einen Urlaub im Norden Kretas.

Zwei Jahre lang wollte ich nicht fliegen. Nicht aus Angst, sondern mehr aus moralischen Gründen. Im ersten Pandemie-Sommer ging ja ohnehin nichts, im zweiten ging es wieder, war aber irgendwie nicht cool. Doch nachdem es nun so aussieht, als würde Corona uns noch viele Jahre begleiten, habe ich Anfang des Jahres beschlossen, dass es reicht. Um mich herum flogen dauernd Leute, machten dauernd Leute Urlaub. Und bei Gott, ich war einfach reif für Sonne und Meer.

Also habe ich gebucht und bin Anfang Mai mit einer guten Freundin von Frankfurt nach Heraklion geflogen. Das Buchen allein war für mich schon ein Abenteuer, denn wir haben in zwei Jahren Pandemie ja gelernt, dass die Gesamtsituation sich sehr schnell ändern kann – und das, was eben noch gültig war, nun gar nicht mehr zählt. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ein Flugzeug von Spanien nach England flog, und während sie in der Luft waren, wurden die Regeln geändert und die Leute, die ohne Erwartung einer Quarantäne gestartet waren, mussten plötzlich am Zielort doch in Quarantäne. Das hatte damals ein bisschen was von Tom Hanks in „Terminal“. Keine sicheren Zeiten also, um etwas Wochen oder Monate im Voraus zu planen. Doch ich beschloss, mich dennoch darauf einzulassen – natürlich mit extra Versicherung für den Fall, dass doch irgendwas Covid-Bedingtes dazwischen kommen würde.

Foto: Marissa Grootes

Tatsächlich änderte sich die Lage zwischen Buchung und Reise: Sie wurde entspannter. Entgegen unserer Erwartungen brauchten wir am 1. Mai keinen PCR-Test mehr, um ins Flugzeug zu steigen; lediglich einen 3G-Nachweis. An Bord der Condor-Maschine war das Tragen einer Maske Pflicht, allerdings ging auch eine OP-Maske, was bei einem dreistündigen Flug super war. Ich habe mich nicht unwohl gefühlt, obwohl das Flugzeug voll besetzt war. Und das hat mich mit am meisten gewundert. Denn ich bin kein Fan von Menschenmengen, und in der Pandemie ohnehin nicht.

Auf Kreta selbst herrschte nur im Hotel (Lobby, öffentliche Bereiche im Innenraum, Speisesaal) wirklich Maskenpflicht. In Läden war das Masketragen freiwillig, und in kleinen Strand- und Touri-Shops schien es egal zu sein. Viele Restaurants und Cafés allerdings achten sehr genau darauf, dass man eine Maske trägt, wenn man reingeht. Da wir aber meistens draußen gesessen haben, beschränkte sich das Masketragen hier auf den obligatorischen Klogang nach jedem Kaffee. Anfang Mai galt in Griechenland 3G, allerdings wurden wir kein einziges Mal nach einem Nachweis gefragt (auch nicht im Hotel).

Für mich war es eine wundersame Erfahrung, diese Reise zu buchen und anzutreten. Ich hatte es verlernt, länger als ein oder zwei Wochen im Voraus zu planen, und es war schön, zu sehen, dass das durchaus noch geht – wenn man ein gewisses Risiko in Kauf nimmt, sich gut absichert und bereit ist, es sportlich zu nehmen, sollte sich die Lage doch wieder ändern.

Dieses Vertrauen, dieses Einfach-mal-Machen ist etwas, das ich jetzt bewusst üben möchte, das merke ich gerade jeden Tag im Supermarkt. Als die Maskenpflicht wegfiel und das Masketragen plötzlich freiwillig wurde, war ich eine, die ganz entschlossen weiter Maske trug. Und das, obwohl ich selbst dreifach geimpft und genesen bin. Aber ohne Maske unterwegs zu sein fühlte sich nackt an, fast frivol, unverantwortlich anderen gegenüber. Asozial, im Grunde.

Ich fand die Vorstellung, auf unser wichtigstes Tool im Kampf gegen eine Weiterverbreitung zu verzichten, einfach absurd. Doch je länger ich darüber nachdachte, je öfter ich als einzige Maskenträgerin an der Kasse anstand, desto mehr formte sich in mir der Wunsch, sich zu trauen und auch mal ohne Maske in den Laden zu gehen. Das einfach mal zu probieren und zu erleben, was es mit mir macht. Als ich es dann tat, war es zunächst ungewohnt, aber auch wunderschön. Es fühlte sich fast an wie … früher.

Ich fand durch dieses erste maskenfreie Einkaufen eine neue Haltung zur Pandemie. Die nämlich, dass – immer für jetzt gesprochen und nicht für die eventuelle nächste Corona-Welle im Herbst – ein gewisses Risiko einfach zum Leben gehört. Und dass wir, mit vielem anderen, in den vergangenen zwei Jahren auch verlernt haben, dieses Risiko auszuhalten. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der ich immer Angst haben muss und allen anderen unterstelle, sie wären krank. Natürlich werde ich weiter Maske tragen, wo es nötig ist. Ich habe immer zwei Masken in der Handtasche, eine OP- und eine FFP2-Maske. Und ich werde mich weiter testen, wenn ich zu Veranstaltungen gehe oder meine 90-jährige Oma besuche. Aber ich nehme mir das Stück Lebensqualität, das aktuell noch optional ist, wieder aktiv zurück. Ist das blöd? Vielleicht. Fühle ich, dass es nötig ist? Hell yeah.

Mal sehen, wohin uns das führt. Kann sein, dass ich in ein paar Monaten wieder anders darüber denke. Aber auch das gehört zu der komisch-schnellwandelnden Zeit grade: Immer wieder neu zu denken, abzuwägen und zu entscheiden.

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