#schilddrüse: Kummerkasten-Lady on duty

Foto: ål nik

Vor einigen Tagen hatte ich OP-Jubiläum: Am 6. Februar 2018 wurde mir im Bürgerhospital in Frankfurt die Schilddrüse entfernt. Darüber habe ich hier schon häufiger geschrieben, und auch darüber, wie es mir in der Zeit danach ergangen ist, wie ich mit der Medikamenteneinstellung klar kam und solche Dinge. Ich schreibe über diese Themen, weil ich einerseits meine eigenen Gedanken ordnen möchte, aber natürlich vor allem, weil ich hoffe, andere Betroffene damit zu erreichen und ihnen die Angst zu nehmen.

Das klappt gerade besonders gut: In den vergangenen Tagen habe ich gleich mehrere Mails von Frauen aus ganz Deutschland bekommen, die ebenfalls kurz vor der Schilddrüsenentfernung stehen und sehr verunsichert sind. Ich vermute, der Link zu meinem Erfahrungsbericht „Was sich in einem Jahr ohne Schilddrüse bei mir geändert hat“ ist in einem Forum oder an einem anderen prominenten Ort gepostet worden, so dass gerade sehr viele Betroffene auf meinen Blog kommen und mir daraufhin schreiben.

Aus jeder dieser Mails lese ich die große Unsicherheit vor dem doch heftigen Eingriff heraus. Und ich bin immer wieder überrascht davon, dass die Menschen so alleine gelassen werden. Mir ging es ja damals ganz genauso, ich wurde vom Arzt in der Klinik und von meiner Hausärztin mehr oder weniger gebrieft und stand dann alleine da mit meiner Angst und Unsicherheit. Also habe ich mir Infos aus Foren geholt, habe Bücher gelesen und die Menschen angesprochen, von denen ich wusste, dass sie die gleiche OP gehabt haben.

Wie viel besser wäre es, wenn es eine Vorbereitungsgruppe geben würde, die sich regelmäßig trifft und in der Leute, die die Erfahrung schon gemacht haben, denen, die es noch vor sich haben, Fragen beantworten würden! Die Ärzte könnten allen, die verunsichert in der Vorbesprechung vor ihnen sitzen, diese Gruppe als Anlaufmöglichkeit nennen. Gerade, während ich dies schreibe, habe die Vision, eine solche Gruppe am Bürgerhospital in Frankfurt zu gründen. Aber ich fürchte, das wird erst nach Corona möglich sein.

Bis dahin antworte ich natürlich jeder und jedem, die mir schreiben, und nehme mir die Zeit, ausführlich auf die persönliche Situation einzugehen. Ich freue mich, wenn ich helfen kann, aber darüber hinaus finde ich, es ist ein bisschen auch eine Menschenpflicht. Und eine Verpflichtung, die ich eingegangen bin, als mir selbst ganz wundervoll geholfen wurde. Am Abend vor meiner OP kam meine damalige Kollegin Michi nämlich überraschend zu mir ins Krankenhaus und hat mir in der schlimmsten Unsicherheit beigestanden. An diesem Abend lag ich weinend im Krankenhausbett und war schon kurz davor, die OP abzusagen und aus dem Krankenhaus zu fliehen. Dieser Akt der Nächstenliebe, dass eine Kollegin kam und mir Kraft gegeben hat, ist mir bis heute in strahlend heller Erinnerung geblieben.

Ich hoffe, dass auch all die Frauen, die mir schreiben und die Antwort bekommen, irgendwann den Nächsten helfen und zuhören werden. Denn Schilddrüsenkranke finden sich immer, auch ohne Blog: Die sehr prominente Halsnarbe ist wie ein Erkennungszeichen, das dazu einlädt, angesprochen zu werden.

Eine Frage, die ich in den Mails immer wieder gestellt bekomme, ist, ob ich die OP anderen Betroffenen empfehlen würde. Es ist schwer, darauf eine Antwort zu geben. Mir geht es vier Jahre später wirklich sehr gut und ich würde diesen Weg, auch nach allem, was ich anschließend über die Schilddrüse, ihre Funktion und auch meinen Körper gelernt habe, immer wieder gehen. Denn für mich war es der letzte Ausweg, und der hat geholfen.

Mit Empfehlungen bin ich aber vorsichtig, denn jeder Mensch ist anders und hat eine andere Krankheitsgeschichte. Es gibt ja auch Patientinnen und Patienten, die Knoten in der Schilddrüse haben, oder die sich mit ganz anderen Krankheiten herumschlagen. Gerade bei Knoten bleibt oft ein Stück funktionsfähige Schilddrüse zurück, und das ist dann nochmal ein ganz anderes Thema, da auch die Einstellung dann anders funktioniert. Da hört man nicht selten, dass das verbliebene Stück nach einer Zeit die Funktion der kompletten Schilddrüse übernimmt und gar keine Hormon-Substitution mehr nötig ist.

Ich kann also nur für Morbus Basedow sprechen und die Erfahrungen, die ich damit gemacht habe. Und da kann ich nur sagen: Ja, die OP geht mit Angst und kurzzeitig auch Schmerzen einher, mit dem Risiko, dass die Stimmbänder und Nebenschilddrüsen etwas abbekommen, mit einigen Wochen Regenerationszeit. Aber: Man bekommt viel Lebensqualität dadurch zurück! Die Jahre vor der OP waren bei mir geprägt von ständiger Über- und Unterfunktion, Hitzeflashs, Panikattacken – und, wenn ich in der Unterfunktion war, Antriebslosigkeit, Depression und Schwäche. Irgendwie war es immer eine Qual, egal ob ich gerade zu viel oder zu wenig Hormon im Blut hatte. Und das habe ich damit defintiv in den Griff bekommen.

Wenn man in einer ähnlichen Situation ist und dieses Auf und Ab nicht mehr erträgt – und vor allem, wenn Arzt oder deine Ärztin es empfehlen, dann ist eine Entfernung mit Sicherheit ein richtiger Weg. Ich zumindest bin sehr froh, dass ich meinen Ärzten vertraut habe.

Deshalb ist genau das mein Rat an die, die mir schreiben: Glaubt dem, was Eure Hausärzte und Endokrinologen sagen. Holt mehrere Meinungen ein, wenn Ihr unsicher seid. Sprecht mit Betroffenen, die die OP schon überstanden haben. Lasst Euch ein gutes Krankenhaus empfehlen, dass diese OP häufig macht und nicht darauf angewiesen ist, Mindestmengen zu erfüllen. Und das Wichtigste: VERTRAUT einander, vertraut den Ratschlägen, die Ihr bekommt, und vertraut darauf, dass Andere Euch helfen wollen. Das dürft Ihr. Und das ist doch ein schöner Gedanke, oder?

7 Kommentare

  1. Hallo,
    ich bin so froh deine Seite gefunden zu haben. Bei mir wurde vor Weihnachten die ganze Schilddrüse entfernt und ich nehme nun seit 9 Tagen die Hormontabletten. Vorher hatte ich 9 Wochen Horror hinter mir. Schon immer hatte ich eine sehr große Schilddrüse (Kropf) aber ohne Symthome. Dann begann es von einem Tag zum anderen. Herzrasen, Durchfall 4-5 mal am Tag, ständig Angst und Panik, Unruhe, Schwindel, Angst beim Autofahren, ….. Schon einige Jahre habe ich viele Signale des Körpers nicht beachtet, und habe mich zwischen Familie (4 Kinder), 35 Stunden Arbeit in einer Kita, und Altenpflege ausgelaugt. So wuchs die Schilddrüse und musste alles ausgleichen. Es entwickelte sich ein großer heißer Knoten, der nicht mehr steuerbar war und mich so fertig machte, dass laut meinem Arzt ein Ketchup mit Jod von MC Donnalds reichen könnte um bei mir einen Herzinfarkt auszulösen.
    Ich habe viele Meinungen eingeholt und alle haben zur Entfernung der ganzen Schilddrüse geraten. Nun 3 Wochen danach geht es mir aber noch nicht viel besser. Ich bin zwar etwas ruhiger, habe aber immer noch Schwindel, Druck im Kopf, und Ängste. Nun, die Hormone müssen sich ja erst einpendeln. Natürlich muss ich meinem Körper Zeit geben. Nun habe ich den Fehler gemacht im Internet herum zu lesen und habe fürchterliche Horrorstorrys gefunden. Viele schreiben, dass der Körper ohne Schilddrüse nie wieder normal arbeiten kann, dass die Psyche nie wieder stabil wird, Es ein Leben mit vielen Symthomen bleibt. Dass den Ärzten das egal ist, man der Schilddrüse beraubt wird und dann irgendwann in der Psychoecke landet. Nie wieder normal sein??? Dass macht mir sehr Angst. Deshalb bin ich so froh deine Seite gefunden zu haben.
    Denn ich habe mich auch für die OP entschieden, weil das Leben mit der Überfunktion nicht mehr zu ertragen war und ich hoffe wieder stabil und leistungsfähig zu werden. Danke für deine sehr aufmunternde Geschichte. Auch ich überlege einiges in meinem Leben zu ändern (Beruf usw.) Mut wird doch immer belohnt. Leider hört man viel zu wenig von den Frauen, die gut mit dem Hormonersatz zurechtkommen.
    Danke! Hast du noch Tipps, wie ich noch mehr ins Gleichgewicht kommen könnte?

    1. Liebe Gerlinde,
      vielen lieben Dank für deinen Kommentar und dafür, dass du deine Geschichte hier teilst. Wow, das klingt wahnsinnig anstrengend, was du durchgemacht hast – und nach einer klassischen Schilddrüsengeschichte. Erstmal finde ich es super, dass du für dich eine Entscheidung getroffen hast, weil es mit der Überfunktion so nicht mehr weiter ging. Genau so war es damals bei mir auch. Und ich ärgere mich immer über die „Erleuchteten“, die so überzeugt davon sind, dass es Alternativen zur Entfernung gibt. Manchmal gibt es die halt einfach nicht – und auch an einer Überfunktion kann man mental und körperlich zugrunde gehen. Ich habe es nicht bereut, und ich glaube, du wirst es auch nicht betreuen.
      Gib dir unbedingt Zeit! Deine OP ist drei Wochen her, dein System muss die zugeführten Hormone erstmal akzeptieren und einen guten Hormonspiegel aufbauen. Das dauert einfach. Mir ging es auch fünf, sechs Wochen danach noch ziemlich bescheiden, weil ich noch nicht auf dem für mich richtigen Level war – aber wenig später war es dann okay. Du darfst auch nicht vergessen, dass du jetzt lange auf Überfunktion gelaufen bist und erstmal auch mental wieder einen Gang runterschalten musst, das ist auch eine Umgewöhnung. Vor allem aber möchte ich dir sagen: Verlier nicht die Hoffnung. Der unberechenbare Störenfried ist jetzt weg, Medikamente kann man gut und einfach nachdosieren – und es wird dir bald viel besser und stabiler gehen. Es gibt viele positive Beispiele, auch wenn es im Internet manchmal nicht so wirkt. Aber vergiss nicht: In Foren schreiben meist nur die, die eine Lösung für ein Problem suchen. Die, denen es gut geht, schreiben oft einfach nicht.

      Herzliche Grüße und alles Gute für dich,
      Anne

  2. Hallo an die Schilddrüse operierte. Am 19 Januar 2023 wurde ich an die Schilddrüse operiert. Nach die Operation hat die Oberärztin mir gesagt, dass ihrer Erfahrung nach, hat es nicht nach bösartiger Gewebe ausgesehen. Ja, nach histologischer Untersuchung, war es auch so, die zwei große Knoten waren tatsächlich gutartig, Aber es wurden drei mykrokarzinomen diagnostiziert. Jetzt warte ich auf Radioaktive Jodtherapie, welche erst in vier Wochen geplant ist. Diese Zeit darf ich keine Schilddrüse Medikamente nehmen. Ja. Es geht mir nicht so gut. Durchfall, Blähungen, Kopfschmerzen. Trotzdem bin ich froh, dass dieser noch so kleine Krebszellen entfernt wurden.
    Eine Bemerkung dazu, Niemand hat es vermutet, dass ich dieser hatte. Jetzt sind die raus. Ich bin nur froh 😁
    Wer hat erfahren mit dieser Radioaktive Jodtherapie
    Danke schön Tanja

    1. Liebe Tanja,
      danke für deinen Beitrag. Zum Glück wurden die Zellen gefunden. Ich wünsche dir alles Gute für die Radiojodtherapie. Damit habe ich keine Erfahrung, aber vielleicht gibt es hier Menschen, die das durchgemacht haben und davon erzählen möchten?
      Alle guten Wünsche für dich und viele Grüße, Anne

      1. Hallo,

        bei mir wurde vor über einem Jahr ein Struma nondosa an der SD festgestellt. Ich habe keine großen körperlichen Beschwerden, aber sie soll in nächster Zeit raus, da die Beschwerden im Hals wie Kloß und Schluckbeschwerden schlimmer werden. Ich habe große Angst vor der OP und der Einstellung von L-thyroxin. Diesen Block zu lesen beruhigt mich etwas, da ja wirklich immer nur sehr negative Dinge im Netz darüber stehen. Alles Gute! Mona

      2. Liebe Mona,
        danke für deinen Kommentar. Wir hatten, glaube ich, alle Angst vor der OP. Meine Erfahrung war dann schließlich, dass man ja bei der OP selbst in der Regel in den Händen absoluter Fachleute ist – und selbst ja gar nichts mitkriegt. Schluckbeschwerden hatte ich auch und fand das mehr als unangenehm, oft hatte ich fast das Gefühl, keine Luft zu kriegen. Wenn dieses Problem mit der OP bei dir gut gelöst werden kann, bekommst du ja auch etwas dafür, nämlich dass das Engegefühl im Hals verschwindet. Vielleicht schaffst du es ja, dich darauf zu konzentrieren und dich sogar ein wenig darauf zu freuen.

        Viele liebe Grüße und alles Gute für dich!
        Anne

      3. Hallo, Mona.
        Der Achterbahn der Gefühle, der Verzweiflung, Ungewissheit, Hoffnung, Angst und jeden Tag was anderes, kann ich sehr gut nachvollziehen. Hatte ich auch gehabt. Und man kann nicht jeden Tag mit jemanden darüber zu sprechen.
        Es ist schon sehr gut, du hast Dich für OP entschieden.
        Nach die Operation wirst du dich besser, psychisch , entspannter fühlen. Du wirst wissen, es ist weg. Eine Tablette morgens, ist absolut kein Problem.
        Ich selbst habe sogar, so ein Gefühl, dass den Tag damit beginnt, dass ich etwas, bewusst, für mich tu. Was früher nicht der Fall war. Jeden Tag freue ich mich, dass diese Druck im Hals weg ist und nie mehr kommen wird.
        Ich wünsche dir die Gelassenheit und Entspannung für restliche Tage bis zu Operation. Die Operation wird gut laufen. Alles wird gut. Melde dich.
        Liebe Grüß vom Bodensee und Donautal

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