
Jetzt gerade spüre ich die Eigenheiten dieses Jahres ganz besonders. Denn der September ist eigentlich mein Reisemonat. 2020 allerdings nicht, denn wie ich schon erzählt habe, habe ich zum 1.9. einen neuen Job angefangen – und außerdem ist durch Corona ja sowieso alles anders.
Aber ich spüre, dass ich unruhig werde, dass die Welt mich ruft und es Neues zu entdecken gibt dort draußen. Diese September-Reisen sind für mich intensive Roadtrips, nach denen mein Kopf randvoll ist mit neuen Eindrücken, Bildern und Geschichten. Und das brauche ich, um über den Winter zu kommen.
Ja, ich weiß, dass ich gerade erst in Holland war. Aber das war irgendwie etwas Anderes, das war Urlaub, Strandurlaub, mit Salzwasser, brennender Sonne und Sand überall.
- #reisen: 4 Strände in Nordholland – für alle, die Sehnsucht nach Meer haben
- #reisen in corona: Die Niederländer und ihr Mondkapje
- #reisen: Entspanntes, buntes Alkmaar
Mein Fernweh jetzt gerade ist ein anderes. Ich rede von Abenteuerreisen, davon, fast jede Nacht in einem anderen Bett zu schlafen und ständig, ständig neu anzukommen. Ich rede von Anstrengung und Herausforderungen, davon, sich auch mal verloren zu fühlen, zu lachen und zu fluchen, in kuriosen und kaputten Unterkünften zu übernachten, andere Menschen zu treffen, zu keimen und zu wachsen. Dafür sind diese Wochen auf der Schwelle zwischen Spätsommer und Herbst einfach perfekt. Vielleicht nicht für jeden, aber ich mag keine Hitze; ich kann am besten denken und fühle mich am ehesten, wenn es um die 20 Grad oder kälter ist und ich mir nicht permanent das Gesicht mit Sonnenlotion eincremen muss.
Die liebe „andere“ Anne, mit der ich in den letzten drei Jahren unterwegs war, sieht das etwas anders. Sie mag Wetter, das jenseits der 30 Grad liegt; ihr hat es nichts ausgemacht, 2019 bei 38 Grad in Dubrovnik auf der Stadtmauer in der knalligen Sonne zu stehen, während ich fast verglüht bin ohne Schatten. Wer mehr über diese unglaubliche Reise lesen möchte, die uns 900 Kilometer durch Kroatien und Bosnien geführt hat, für den habe ich hier nochmal alle Links:
- #reisen: 900 Kilometer durch Kroatien (und Bosnien)
- #reisen: 14 Tage, 8 Betten
- #reisen: 9 miese Wahrheiten über Dubrovnik – und 1 Geheimtipp
- #reisen: Mljet – meine drei Inseltipps
- #reisen: Herzzerreißend-schönes, verwirrendes Zagreb
- #reisen: In love mit den Plitvicer Seen
Aber dass wir in Kroatien einen für deutsche Verhältnisse hochsommerlichen Frühherbst erlebt haben, hatte Anne sich wirklich verdient, nachdem sie im Jahr zuvor bei Kälte, Sturm und strömendem Regen mit mir durch Schottland gereist ist. An diese Schottland-Reise im September 2018 musste ich heute morgen denken, sie war nach einem Trip nach New York 2017 unser erster gemeinsamer Roadtrip. Und wer so eine Reise gemeinsam übersteht und sich danach immer noch leiden mag, der übersteht auch alles andere. :)
Von dieser Schottland-Reise möchte ich Euch erzählen.
Damals habe ich mehr oder weniger direkt nach unserer Rückkehr einen neuen Job begonnen und hatte deshalb keine Zeit, hier mehr darüber zu schreiben als einen kurzen Artikel, der meine Instagram-Posts von unterwegs aufgreift. Das will ich nun nachholen, denn es gibt einfach so viel zu erzählen über diese zehn Tage on the road.

Es ist jetzt fast auf den Tag genau zwei Jahre her, dass wir nach Edinburgh aufgebrochen sind. Die Hauptstadt Schottlands ist superschön, allerdings auch sehr stark vom Tourismus geprägt, klar. Wir haben dort eine tolle Stadtführung mit einem BBC-Redakteur gemacht, der uns viele verborgene Ecken gezeigt hat, wir sind auf den Hausberg Arthur’s Seat gestiegen und haben natürlich ganz viele Scones gegessen. Hach, in Edinburgh gibt es so viele süße alternative Cafés und magische Winkel. Anne ist eine sehr viel bessere Fotografin als ich, daher zeige ich Euch hier vor allem ihre Bilder, die die Stimmung dieser Tage sehr gut einfangen.
Nach ein paar Tagen haben wir uns ein Auto gemietet, einen süßen kleinen dunkelroten Fiat 500, und sind mit ihm einmal die große Tour gefahren.

Mehr als 1100 Kilometer waren wir unterwegs, wenn man die vielen kleinen Spots und Zwischenstops einrechnet, die auf der Karte nicht verzeichnet sind. Mit am besten hat es uns beiden in der Jugendstilstadt Glasgow gefallen. Ehrlich gesagt war mir vorher gar nicht klar, dass Glasgow eine so ausgeprägte Jugendstilgeschichte hat. Doch als wir erst mal dort waren, haben wir das natürlich mit Haut und Haaren genossen – und auch ganz viel über den berühmtesten Jugendstilsohn der Stadt gelernt, Charles Rennie Mackintosh. Leider ist die bekannte Bibliothek, die er für die Universität gestaltet hat, kurz vor unserem Besuch abgebrannt, was wir nach langer Suche aber erst von einem Straßenarbeiter erfahren haben. Gewohnt haben wir in Glasgow in einem ziemlich kuriosen winzigen Hotel, dem Grasshopper, das auf nur einer Etage direkt über dem Hauptbahnhof angesiedelt ist. Stylish und sehr zentral – und vor allem für Leute geeignet, die auf WG-Feeling stehen. ;)
Ganz besonders war für mich auch die Insel Skye, auf der alles so unglaublich still, langsam und bescheiden ist, dass es scheint, als sei Skye aus der Welt gefallen. Dort haben wir in einem einsam gelegenen, zum Hotel ausgebauten Herrenhaus übernachtet, dem Greshornish House. In diesem Haus hat jede Bodendiele geächzt, die Badewanne stand auf Krallenfüßen – und es gab in unserem Zimmer eine wunderbar tiefe Fensterbank, an der man sich mit Heizöfchen und Tee einen formidablen Nachmittag machen konnte. Auf der Webseite sind spektakuläre Luftaufnahmen zu sehen, die einem die Einsamkeit dieses Hauses erst bewusst machen. Dort habe ich zum Frühstück mal das „Full Scottish Breakfast“ bestellt, bei dem auf dem Teller auch Haggis zu finden ist. Wir haben beide tapfer probiert, aber was soll ich sagen – einmal hat mir gelangt. :D
Haggis zum Frühstück – wtf!
Mein persönlicher Lieblingsmoment auf der Reise war unser spontaner Besuch in Leakey’s Bookshop in Inverness. Schon lange kein Geheimtipp mehr, was sich auch an den Preisen bemerkbar macht, aber sowas von wundervoll abgefahren, dass man einfach nur mit offenem Mund die endlosen, fast bis in den Himmel reichenden Bücherregale betrachtet und gierig den durchdringenden Geruch von altem Papier aufsaugt. Würde ich in Inverness wohnen, würde ich dort sicher viele Stunden verbringen.

Nicht so gut angekommen sind wir dagegen in Ullapool, der größten Siedlung in den sehr dünn besiedelten nordwestlichen Highlands und dem nördlichsten Punkt unserer Reise. Das hatte verschiedene Gründe. Erstmal kamen wir an diesem Tag aus Inverness, wo wir so viele tolle Dinge gesehen und gegessen und gelernt haben. Wir waren im Städte-Erkundungsmodus – und wurden jäh gebremst von der Stille, der Einsamkeit, der Einfachheit Ullapools.
Irgendwie hat sich dort alles plötzlich sehr leer angefühlt. Außerdem hatten wir aus Versehen das furchtbarste Hotel aller Zeiten gemietet, das schmutzige, ungezieferverseuchte, uralte Caledonian Hotel, so dass wir uns nicht mal wirklich gemütlich im Zimmer einrichten konnten, um den regnerischen Tag zu vergammeln, bevor wir Ullapool am nächsten Morgen wieder verlassen wollten. Keine Ahnung warum, aber so eine Hoffnungslosigkeit habe ich lange davor und lange danach nicht gespürt.
Dabei ist Ullapool eigentlich schon aufgrund seiner Lage interessant; von dort startet die Fähre auf die äußeren Hebriden. Aber ich finde, die Bilder zeigen ganz gut diese bleierne Schwere, die uns an diesem Tag in Ullapool überfiel. Wir haben sie dann mit Zucker und Bier bekämpft und früh das Licht ausgemacht. Aber immerhin habe ich mir dort in dem kleinen Buchladen ein ganz tolles, wahnsinnig düsteres Buch gekauft, das in der absoluten Einsamkeit der äußeren Hebriden spielt und dessen eindringliche Geschichte mir stark in Erinnerung geblieben ist: „Secrets of the Sea House“ von Elisabeth Gifford.
Aber ach, wenn ich dürfte, würde ich jetzt vielleicht sogar nach Ullapool fahren…
Mir bleibt, wie so vielen anderen Menschen mit Wanderlust, nur, mich auf die Zeit nach Corona zu freuen, wenn wir hoffentlich mit neuer Dankbarkeit wieder reisen dürfen. Anne und ich reden schon lange über Japan, über Island und zuletzt auch über Südfrankreich. Und Dänemark möchte ich auch gerne Stück für Stück erkunden. Wir haben also viele Pläne und warten nur darauf, endlich wieder unsere Reiserucksäcke zu packen.
Vielleicht nutze ich die Zeit bis dahin mal, um mir über meinen Klamottenstyle unterwegs Gedanken zu machen. Denn Anne sieht auf jedem Foto wie aus dem Ei gepellt aus, während ich immer wirke, als ob mein Koffer unterwegs abhanden gekommen sei und ich mich auf einem Flohmarkt völlig unzusammenhängend neu hätte eindecken müssen. *g* Aber ich finde, ein Jahr später war mein Style in Kroatien schon etwas weniger schlimm. Stay tuned für künftige weitere modische Fortschritte unter dem Titel: „14 Tage, drei Outfits: Reisen mit Handgepäck“.
